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Petr Němec | September 12, 2023

Und wieder DER „Rechtsmissbrauch“ – dieses Mal Grenzüberschreitend

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  1. Führen Sie grenzüberschreitende Transaktionen/Strukturierungen durch?
  2. Verfügen Sie über ausreichend dokumentierte und nachgewiesene Gründe
    für deren Umsetzung?
  3. Entspricht das weitere Funktionieren der Gruppe nach Durchführung der gegebenen Transaktionen/Strukturierung den beabsichtigten Gründen und Zwecken?

In diesem Zusammenhang könnte Sie das neue Urteil zum Thema Rechtsmissbrauch interessieren. Das Oberste Verwaltungsgericht (im Folgenden „NSS-Gericht“) lehnte am 6. September 2023 mit seiner Entscheidung Az. 2 Afs 82/2022 - 53 eine Kassationsbeschwerde der Beschwerdeführerin ab, in der Streitsache über die Beurteilung der Möglichkeit bezüglich der Steuerbefreiung von Dividenden ab,
die aus der Tschechischen Republik (CR) an eine ausländische Muttergesellschaft gezahlt wurden.

Was ist passiert? (zusammengefasst)

Eine tschechische natürliche Person besaß eine tschechische Aktiengesellschaft. Diese natürliche Person gründete in Zypern einen Trust, der beispielsweise nicht nur dazu dienen sollte, für die Kinder der jeweiligen natürlichen Person zu sorgen, deren Gesundheit, Bildung usw. sicherzustellen. In diesen Trust legte die natürliche Person ein neu entstandenes zypriotisches Unternehmen. Anschließend verkaufte die natürliche Person die Aktien der tschechischen Aktiengesellschaft gerade an das zypriotische Unternehmen. Das satzungsmäßige Organ der zypriotischen Gesellschaft war eine andere tschechische natürliche Person, die ebenfalls als Beschützer des Trusts fungierte (d.h. die Auszahlung der Gelder aus dem Trust in gewissem Umfang beeinflussen konnte).

Das zypriotische Unternehmen nahm ein Darlehen vom Sohn seines satzungsmäßigen Organs an. Anschließend erhielt es Dividenden von der tschechischen Gesellschaft und zahlte aus diesen Dividenden die Rückzahlung des gewährten Darlehens einschließlich Zinsen sowie den Kaufpreis
für die von der natürlichen Person erworbenen Aktien. Das zypriotische Unternehmen hielt lediglich
das tschechische Unternehmen und erhielt Darlehen von Dritten.

Der Steuerverwalter sah in der oben genannten Handlung Anzeichen eines Rechtsmissbrauchs und verhängte der tschechischen Aktiengesellschaft eine tschechische Quellensteuer in Höhe von 15%, da die Voraussetzungen für die Befreiung von der Körperschaftsteuer nicht
erfüllt wurden.

Sowohl das Kreisgericht als auch das NSS stimmten den Schlussfolgerungen der Steuerverwaltung zu.

Warum ?

Das NSS-Gericht gibt an, dass der Zweck von § 19 Absatz 1 Buchstabe ze) Punkt 1 des Gesetzes Nr. 586/1992 Slg., in der Fassung relevanter Vorschriften (EStG), die Vermeidung der Doppelbesteuerung von Gewinnen und die Erreichung der Steuerneutralität sind, sodass der Gewinn beim Endempfänger besteuert wird.

Laut dem NSS-Gericht entsprach die Dividendenausschüttung vom tschechischen an ein zypriotisches Unternehmen im vorliegenden Fall nicht dem angegebenen Zweck und die Transaktion hatte keine vernünftige wirtschaftliche Berechtigung, wobei sie eindeutig auf Erlangung eines Steuervorteils (Vermeidung der Quellensteuer auf Dividendenerträge) abzielte.

Das NSS weist unter Verweis auf die frühere Rechtsprechung weiter darauf hin, dass der Hauptzweck der Handlung/Transaktion zu prüfen sei, d.h. die rationale Rechtfertigung der Transaktion aus Sicht der Handlung des Steuersubjekts vor und nach der Transaktion; dabei geht es darum, auf der Grundlage der objektiven Umstände des Falles nachzuweisen, ob das konkrete Verhalten des Steuersubjekts eine andere Erklärung als den Versuch hatte, sich einen unberechtigten Steuervorteil zu verschaffen“, und „eine künstliche Struktur zur Gewinnung eines Steuervorteils zu identifizieren“ (Urteil 10 Afs 289/2021-42). Darüber hinaus sind laut dem NSS-Gerichtrechtliche, wirtschaftliche und personelle Beziehungen zwischen interessierten Unternehmen sowie
die gesamtwirtschaftliche Rationalität von Transaktionen
zu berücksichtigen (Urteil 7 Afs 175/2022-37). Zur Beurteilung betr. Motiv oder die Absicht, ist neben der wirtschaftlichen Rationalität der angeblich rechtsmissbrauchsbegründenden Handlung selbst auch die Methode derBeteiligung verbundener Personen/Unternehmen, bzw. Mitglieder ihrer satzungsmäßigen Organe in die Transaktionskette“ (4 Afs 376/2021-60) maßgebend.

Was kann man daraus schließen?

Wenn Sie beabsichtigen, Ihre Unternehmungstätigkeit in irgendeiner Weise zu strukturieren oder wenn Sie beabsichtigen, Ihre Familie und Angehörigen in Zukunft durch die Nutzung verschiedener
(auch ausländischer) Rechtsformen zu versorgen, empfehlen wir Ihnen eine detaillierte Analyse der Umsetzungsmöglichkeiten der Transaktionen und ihrer steuerlichen Auswirkungen durchzuführen.

Auch wenn Sie Ihr Unternehmen bereits gutgläubig strukturiert haben, empfehlen wir Ihnen zu prüfen, ob damit steuerliche Risiken bzw. unter welchen Umständen verbunden sind.

Die Grenze zwischen einer legitim gewählten Variante mit geringerer Steuerbelastung und einem Rechtsmissbrauch kann recht eng sein und erst die Rechtsprechung zeigt uns die groben Umrisse.

Nicht zuletzt ist es wichtig zu erwähnen, dass die Legitimität (d.h. berechtigte wirtschaftliche Gründe)
in Steuerverfahren nachgewiesen werden muss, und wir wissen aus Erfahrung, dass einige Beweise (oder Argumente) von der Steuerverwaltung manchmal weniger und andermal mehr akzeptiert werden.

Wenn Sie sich für dieses Thema interessieren, zögern Sie nicht, Ihren Ansprechpartner bei der Ges. Grant Thornton zu kontaktieren oder sich direkt an die Autoren dieses Artikels zu wenden.

 

Autoren: Petr Němec, Martin Hahn