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| June 4, 2024

Anwendung einer Vertragsstrafe mit längerem Zeitabstand als wesentliche Änderung der Verpflichtung

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Im Rahmen der Entscheidungspraxis des Obersten Verwaltungsgerichts (im Folgenden „NSS-Gericht“) und des Amtes für den Schutz des wirtschaftlichen Wettbewerbs (im Folgenden „ÚOHS-Amt“) ist es nichts Neues, dass die Nichtdurchsetzung einer Vertragsstrafe  durch den Auftraggeber eines öffentlichen Auftrags - obwohl eine Vertragsstrafe vereinbart wurde - eine unzulässige wesentliche Änderung der Verpflichtung darstellt.

Für manche mag es jedoch neu sein, dass es laut NSS zu einer wesentlichen Änderung der Verpflichtung kommen kann, wenn der Auftraggeber die Vertragsstrafe zwar einzieht, allerdings mit großer Zeitverzögerung – aber immer noch vor Ablauf der Verjährungsfrist.

So entschied das NSS-Gericht im Streitfall zwischen der Stadt Stochov (im Folgenden „Stadt“) und dem Ministerium für Regionalentwicklung (im Folgenden „Ministerium“)[1].Die Stadt schloss mit dem Auftragnehmer einen Werkvertrag ab. Allerdings kam dieser mit der Ausführung der Arbeiten in Verzug. Nach erfolgreichem Abschluss und Übergabe des Werks ersuchte die Stadt das Ministerium um Zahlung eines Zuschusses. Bei der Prüfung des Förderantrags stellte sich jedoch heraus, dass die Stadt ihren Anspruch gegenüber dem Auftragnehmer auf eine Vertragsstrafe wegen Verzugs nicht geltend gemacht hatte und die Fördermittel wurden daher teilweise gekürzt.

Die Stadt verlangte gerichtlich die Zahlung des restlichen Zuschusses. Sie bekam nicht nur kein Verständnis von den Gerichten, sondern ihre Bemühungen führten auch zu einer Entscheidung des NSS-Gerichts, was für viele andere öffentliche Auftraggeber und insbesondere Lieferanten eine Unannehmlichkeit sein kann.

Das NSS-Gericht entschied nämlich Folgendes: „Selbst wenn letztendlich beschlossen wird, die Vertragsstrafe geltend zu machen, dies jedoch mit einem langen Zeitabstand geschieht, noch bevor die Ansprüche abgelaufen sind, bedeutet dies, dass der Lieferant die Vertragsstrafe deutlich später zahlen muss, als es in den Ausschreibungsbedingungen festgelegt wurde. Im Hinblick auf den Zeitwert des Geldes ... stellt auch eine so deutlich verzögerte Geltendmachung der Vertragsstrafe eine Begünstigung selbst dar.“

Das NSS-Gericht argumentiert weiter, dass die spätere Durchsetzung von Vertragsstrafen diese de facto im Hinblick auf die Inflation („Zeitwert des Geldes“) reduziere. Und nicht nur das. Durch eine verspätete Eintreibung, so das NSS, werden Lieferanten, die zum Zeitpunkt des Ausschreibungsverfahrens eine solche Geldbuße bei sofortiger Eintreibung als riskant erachteten, benachteiligt.

In seiner Entscheidung betonte das NSS-Gericht, dass die Umstände jedes Einzelfalls beurteilt werden müssen, und führte mehrere Gründe an, warum die Verzögerung bei der Durchsetzung der Vertragsstrafe möglicherweise keine wesentliche Änderung der Verpflichtung darstellt. Dabei kann es sich beispielsweise um die Prüfung der Bedenklichkeit von Ansprüchen oder um die Erhebung von Beweismitteln für deren Geltendmachung handeln.

Entscheidet sich der öffentliche Auftraggeber jedoch, die Vertragsstrafe vorübergehend nicht einzutreiben - aufgrund einer längerfristigen Leistung, eines Kundendienstvertrags sowie in anderen Situationen, in denen er gute Beziehungen zum Lieferanten aufrechterhalten möchte - handelt es sich um eine ungerechtfertigte Bevorzugung des Lieferanten. Daher ist damit zu rechnen, dass Auftraggeber bei Vertragsstrafen noch kompromissloser vorgehen werden.

[1] 8 Afs 157/2021- 35 - Text (nssoud.cz)