Das Oberste Verwaltungsgericht (im Folgenden „NSS“ genannt) hat einen Streit zwischen einer natürlichen Person (Klägerin) und der Finanzberufungsdirektion (Beklagte) im Rahmen einer Kassationsbeschwerde 8 Afs 220/2022–40 beigelegt. Gegenstand des Streits war die Möglichkeit, einkommensteuerliche Aufwendungen pauschal in Höhe von 60 % (statt nur in Höhe von 40 %) anzusetzen, für den Fall, als die Klägerin ein Gewerbe ohne Gewerbeschein betrieben hat.
In ihrer persönlichen Einkommensteuererklärung natürlicher Personen machte die Klägerin - gegen die Einnahmen aus Übersetzungs- und Dolmetschertätigkeiten - pauschale Aufwendungen in Höhe von 60 % lt. § 7 Abs. 7. Buchst. b), des Gesetzes über Einkommensteuern (im Folgenden „Einkommensteuergesetz“ genannt“) geltend. Da sie nicht über einen Gewerbeschein für diese Tätigkeit verfügte, veranlagte das Finanzamt nach erfolgter Nachweisführung diesbezügliche Einkommensteuer (Steuernachbemessung). Die Klägerin legte gegen den Zahlungsbescheid eine Berufung ein, die Beklagte lehnte die Berufung jedoch ab und bestätigte die Entscheidung der Steuerverwaltung.
Argumente der Klägerin
- In der Kassationsbeschwerde führt die Klägerin aus, dass sie, wenn sie einer Tätigkeit nachgegangen sei, für die eine Genehmigung möglich sei, das Recht habe, die Einkünfte aus dieser Tätigkeit als Einkünfte aus einer Gewerbetätigkeit zu versteuern.
- Sie beruft sich weiterhin auf das Urteil 5 Afs 73/2012-41 vom 13. 3. 2013, in dem das NSS-Gericht zu dem Schluss kam, dass der tatsächliche Inhalt der vor der formellen Eintragung im Handelsregister ausgeübten Tätigkeit bei der Beurteilung der Erfüllung der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung in erster Linie wichtiger ist, weshalb die Steuerverwaltung dem Inhalt der Tätigkeit Vorrang vor ihrer Form geben sollte.
- Nach Ansicht der Klägerin ist die Gewerbeanmeldung beim Gewerbeamt eine Pflicht des Unternehmers und keine Voraussetzung dafür, dass er sein Gewerbe betreiben darf.
- Abschließend fügt die Klägerin hinzu, dass - wenn der Steuerverwalter sich geweigert habe, ihre Tätigkeit als Gewerbetätigkeit zu bewerten und ihre Steuer unter niedrigere Pauschalkosten festgesetzt habe - sie dafür bestraft habe, dass sie nicht rechtzeitig eine Gewerbeerlaubnis eingeholt habe. Dabei wird der Betrieb einer Gewerbetätigkeit ohne Gewerbeerlaubnis primär als eine Ordnungswidrigkeit lt. § 61 Abs. 3 des Handelsgesetzes sanktioniert wird. Das bedeutet, dass es im Falle einer Verantwortlichkeit betr. Ordnungswidrigkeit nicht gerechtfertigt ist, sie auch dadurch zu bestrafen, dass ihr die Geltendmachung höherer Pauschalkosten verweigert wird.
Beurteilung von NSS
- Das NSS-Gericht hat sich mit ev. Geltendmachung von 60 % Aufwendungen - für den Fall, dass die Person keinen Gewerbeschein besitzt - wiederholt befasst. Dabei kam es stets zu dem Schluss, dass es sich nicht um die Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit im Sinne § 2 des Gewerbegesetzes handelt, wenn eine natürliche Person im eigenen Namen und in eigener Verantwortung, auch über längere Zeit und selbständig, eine kontinuierliche Tätigkeit ausübt, ohne über eine Gewerbeerlaubnis zu verfügen.
- Laut § 7 Abs. 7 Buchst. b) ESt.-Gesetz kann die Klägerin einen Pauschalbetrag in Höhe von 60 % nur aus einer Gewerbetätigkeit geltend machen, nicht jedoch aus einer unerlaubten Unternehmung, auch wenn ihrer Inhalt einem Gewerbe entspricht. Ein Anspruch auf pauschale Aufwendungen in dieser Höhe besteht daher für sie nicht.
- Zum Grundsatz der Doppelbestrafung führt das NSS-Gericht aus, dass die Klägerin den Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot nur als hypothetische Konsequenz erwähnt habe, da ein Ordnungswidrigkeits- Verfahren überhaupt nicht eingeleitet worden sei. Die Zahlung von Steuern hat nicht den Charakter einer strafrechtlichen Sanktion, sondern dient der Beschaffung von Mitteln für den öffentlichen Haushalt. Daraus folgt, dass die Reduzierung der angewandten Pauschalkosten nicht als Verwaltungsstrafe angesehen werden kann.
- Das oben genannte Urteil der Klägerin, in dem der Inhalt Vorrang vor der Form hatte, berücksichtigt nicht den wesentlichen Unterschied in beiden Fällen. Laut NSS ließ der Wortlaut der jeweiligen Bestimmung (des bereits aufgehobenen Gesetzes) ohne nennenswerten Zweifel die Möglichkeit zu, dass das Unternehmen die betreffende Tätigkeit nur faktisch ausübt. Dies war ein gesetzliches Kriterium für die Anwendung der Steuerbefreiung im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit. Im vorliegenden Fall kommt es jedoch darauf an, ob die Einkünfte der Antragstellerin als Einkünfte aus einem Gewerbe einzustufen sind.
Im zitierten Urteil wurde daher die Erfüllung ganz anderer rechtlicher Kriterien beurteilt.
Abschließend kommt das NSS-Gericht zu dem Schluss, dass die Beschwerdeführerin kein Gewerbe im Sinne von § 2 der Gewerbeordnung betrieben hat, da sie nicht über eine Gewerbeerlaubnis verfügte. Eine Tätigkeit ohne Gewerbeerlaubnis ist nämlich keine Gewerbetätigkeit, sondern ein illegales Gewerbe. Die Voraussetzung betr. Verfügung/Besitz einer Gewerbeerlaubnis ergibt sich somit eindeutig aus Systematik, Sinn und Zweck des Gesetzes. Aus diesen Gründen stimmte der Entscheidungssenat den Schlussfolgerungen der bisherigen NSS-Rechtsprechung zu, wonach eine verfügbare Gewerbeerlaubnis Voraussetzung für eine Gewerbetätigkeit ist.
Die Kassationsbeschwerde ist daher unbegründet und wurde daher vom NSS-Gericht abgewiesen.