Petr Němec | 17.12.2024
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Michal Scholtz | August 11, 2016
Die Briten haben am 23. Juni 2016 im Referendum den Austritt aus der Europäischen Union (EU), den sog. „Brexit“, beschlossen. Zum endgültigen Ende dieser langjährigen Beziehung zu Kontinentaleuropa führt sicherlich noch ein langer Weg, da das Recht Großbritanniens noch weitgehend durch eine Vielzahl von Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen, die die EU erlassen hat, geprägt wird. Sämtliche von der EU erlassenen Rechtsakte, zu deren Einhaltung sich Großbritannien verpflichtet hat, sollten für Großbritannien nach dessen Austritt aus der EU nicht mehr verbindlich sein. Großbritannien wird dann die rechtliche Freiheit besitzen, sich zu entscheiden, welche der Bestimmungen es in seinen Gesetzen beibehält und welche es aufheben wird.
Der Austritt Großbritanniens aus der EU wird zweifellos einen Eingriff ins Bereich des britischen Steuerrechts darstellen. Die EU versucht bereits seit ihrer Entstehung, das Steuerrecht im höchstmöglichen Umfang zu harmonisieren, und zwar in allen Mitgliedstaaten. Die Steuerharmonisierung soll nach der EU zur Stärkung des Binnenmarktes und zur Erhöhung der Attraktivität der EU für Investoren und Arbeitskräfte beitragen. Ein besonderer Wert wird insbesondere auf die Harmonisierung in den Bereichen der direkten (insbesondere der Körperschaftsteuer) und der indirekten Steuern (Mehrwertsteuer, Verbrauchssteuer und Zölle) gelegt. Während bei den indirekten Steuern ein relativ hohes Maß an Harmonisierung erreicht wurde, ist es bei den direkten Steuern das genaue Gegenteil, und dieser Bereich bleibt weiterhin weitgehend in der Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten.
Ein Szenario der möglichen steuerlichen Auswirkungen des Austritts Großbritanniens aus der EU für die Tschechische Republik ggf. für tschechische Gesellschaften versuchen wir unten im Text zu schildern.
Im Bereich der Harmonisierung der direkten Steuern wurden bisher nur einige Teilerfolge erzielt, es wurden folgende Richtlinien verabschiedet:
Die Anwendung dieser Richtlinien bei der Erfüllung der festgelegten Voraussetzungen ermöglicht zum Beispiel, die Einkünfte aus bezahlten Gewinnanteilen, Zinsen oder Lizenzgebühren von der Steuer zu befreien, und zwar zwischen einer Mutter- und einer Tochtergesellschaft, ggf. noch zwischen anderweitig verbundenen Personen innerhalb der Europäischen Union.
Aus der Perspektive der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit für ausländische Investoren im Vergleich zu den anderen Mitgliedstaaten der EU kann angenommen werden, dass Großbritannien auch nach dem Austritt aus der EU versuchen wird, die Grundsätze, die aus den oben genannten Richtlinien folgen, zu erhalten. Aus dieser Perspektive ist daher nicht wichtig, ob Großbritannien ein Teil des europäischen Wirtschaftsraums bleibt und Ländern wie Norwegen, Island oder Liechtenstein nachfolgt oder, ob Großbritannien das sog. Schweizer Modell wählt, da auch gegenüber diesen Ländern, die keine EU-Mitglieder sind, die steuerliche Befreiung angewendet werden kann.
Großbritannien hat zahlreiche bilaterale Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, u. a. auch mit der Tschechischen Republik, abgeschlossen. Das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen der Tschechischen Republik und Großbritannien ist (genauso wie die überwiegende Mehrheit der Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung) auf einem einheitlichen OECD-Modell aufgebaut. Der Austritt Großbritanniens aus der EU sollte daher keine wesentliche Auswirkung auf die Auslegung dieser Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung haben.
Im Falle, dass die oben genannten Richtlinien gegenüber Großbritannien nicht mehr geltend gemacht werden (und nicht mit einer entsprechenden Regelung ersetzt werden), werden die oben genannten Einkünfte einem weniger vorteilhaften Modus unterliegen (der Quellensteuer), da das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung den vorteilhafte Modus nicht in allen Fällen bietet. Die tatsächlichen Auswirkungen werden sich deswegen erst in der Zukunft zeigen.
Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union wird die Mehrwertsteuer erheblich betreffen. Die Auswirkungen und die Änderungen, die die Verkleinerung der Europäischen Union bringen wird, können im Voraus jedoch nicht eindeutig bzw. überhaupt nicht bestimmt werden. In der Tat hängt alles von den Verhandlungen und den Abkommen ab, die Großbritannien beim Austritt aus der Union abschließt. Jedoch werden wir einige Auswirkungen, die der Brexit bringt, nachstehend schildern.
Durch das Verlassen der Europäischen Union wird sich das europäische Recht nicht mehr auf Großbritannien beziehen, d.h. im Bereich der MwSt. insbesondere die bedeutende Richtlinie des Rates der EU über das gemeinsame System der MwSt. und die Durchführungsverordnung des Rates der EU. Großbritannien kann eigene Rechtsvorschriften für den Bereich der MwSt. anwenden und so zum Beispiel die Steuersätze, den Umfang der Befreiung oder den Gegenstand der MwSt. unabhängig von der europäischen Gesetzgebung bestimmen. In einigen Bereichen könnten so Kollisionen zwischen den nationalen Rechtsvorschriften Großbritanniens und der europäischen Gesetzgebung auftreten, die sogar zur Doppelbesteuerung bzw. zur Nichtbesteuerung führen könnten (z. B. beim falsch gewählten Leistungsort).
Nach dem Austritt aus der Europäischen Union wird das Gebiet Großbritanniens, falls keine anderen Voraussetzungen vereinbart werden, nicht mehr als „der europäische“ Raum betrachtet, und jeder Warenverkehr aus oder nach Großbritannien sollte als Ausfuhr bzw. Einfuhr aus bzw. in die EU betrachtet werden. Dadurch wird der Handel verwaltungsmäßig anspruchsvoller, und es könnte auch die Möglichkeit der Einführung der Zölle (falls sie kein Gegenstand anderer spezieller Zollabkommen sein wird) erwogen werden, was momentan unvorhersehbare Auswirkungen auf die beteiligten Vertragsparteien haben könnte. Der Warenverkehr nach Großbritannien wird schon kein Gegenstand der Ausweisung im Intrastat und in der Gesamtmeldung mehr sein.
Weitere Änderungen können in einigen Fällen auch beim Erbringen der Dienstleistungen auftreten, und zwar zum Beispiel bei der Bestimmung des Leistungsortes.
Mit Komplikationen müssen sich auch die Anbieter der elektronischen Dienstleistungen an Nichtsteuerpflichtige auseinandersetzen. Während diese Anbieter vom 1. Januar 2015 in der EU eine Vereinfachung bei der Abführung der MwSt. aus elektronisch erbrachten Dienstleistungen mittels des Systems Mini One Stop Shop nutzen können, werden sie nach dem Austritt Großbritanniens die Einstellung ihres Systems der MwSt. überprüfen müssen.
Zu den weiteren Bereichen, die der Brexit betreffen wird und die erwähnenswert sind, gehören zum Beispiel auch das Steuerrückzahlungsverfahren in Großbritannien (das europäische Recht, das die Rückzahlung harmonisiert und das ein einheitliches Verfahren festlegt, wird nicht mehr angewendet werden können), weiterhin der Versandhandel oder die Vereinfachung in Form von Drittanbieter-Handel.
Die tatsächliche Anwendung der MwSt. nach dem Brexit müssen wir jedoch bis zur Vereinbarung Großbritanniens mit der EU abwarten.