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Veronika Odrobinová | Jessica Vaculíková | November 25, 2022
Der Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden „EuGH“) erklärte in seinem aktuellen Urteil in verbundenen Rechtssachen C-37/20 | Luxembourg Business Registers und C-601/20 | Sovim vom 22. November 2022 die Ungültigkeit der Bestimmungen der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des (EU) Rates 2015/849 vom 20. Mai 2015, über die Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zur Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung, in der jeweils gültigen Fassung (im Folgenden als „Geldwäscherichtlinie“ bezeichnet), wonach Informationen über wirtschaftlich Berechtigte (tatsächliche Eigentümer) der im Register eingetragenen Unternehmen im Gebiet der Mitgliedstaaten jeder Person aus der Öffentlichkeit jederzeit zugänglich zur Verfügung sein müssen.
Gemäß der Geldwäscherichtlinie wurde nach luxemburgischem Recht ein Register der wirtschaftlich Berechtigten (tatsächlicher Eigentümer) eingerichtet, in dem eine Reihe von Identifikationsdaten registrierter Unternehmen aufgeführt werden müssen. Ein Teil dieser Daten ist der Öffentlichkeit über das Internet zugänglich.
Im Zusammenhang mit diesem luxemburgischen Gesetz wurden 2 Klagen vor dem Bezirksgericht in Luxembourg erhoben, in dem die Kläger beantragten, dass das luxemburgische Register der wirtschaftlich Berechtigten den Zugriff der Öffentlichkeit auf die offengelegten Daten beschränkt. Das zuständige Gericht beschloss, dem EuGH mehrere Vorabfragen bezüglich der Auslegung der Bestimmungen der Geldwäscherichtlinie und deren Geltung im Sinne der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden EuGRCh) zu stellen.
Der EuGH kam zu dem Schluss, dass die Bestimmung der Geldwäscherichtlinie, die den Zugriff auf Informationen über wirtschaftlich Berechtigte/Eigentümer durch jede Person in der Öffentlichkeit ermöglicht, aufgrund eines Konflikts mit der EuGRCh ungültig ist. Der EuGH sieht in der fraglichen Bestimmung einen schwerwiegenden Eingriff in das (im Artikel 7 EuGRCh verankerte) Recht auf Privatleben, sowie in das Recht auf Schutz personenbezogener Daten gemäß Artikel 8 EuGRCh.
Die im Register zur Verfügung gestellten Informationen ermöglichen es einer potenziell unbegrenzten Anzahl von Personen, sich über die sachliche und finanzielle Situation wirtschaftlich Berechtigter (tatsächlicher Eigentümer) zu informieren. Darüber hinaus besteht auch ein potenzielles Risiko für betroffene Unternehmen/Personen aus einem möglichen Missbrauch personenbezogener Daten, was noch dadurch verstärkt werden kann, dass diese Daten – wenn sie einmal der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden - nicht nur frei durchsucht, sondern auch gespeichert und weitergeleitet werden können.
Das Hauptziel der Geldwäscherichtlinie ist die Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung; dies ist ein Ziel von allgemeinem Interesse, mit dem auch schwerwiegende Eingriffe in die in den Artikeln 7 und 8 EuGRCh verankerten Grundrechte gerechtfertigt werden können. Der Zugriff der Öffentlichkeit auf Informationen über wirtschaftlich Berechtigte (tatsächliche Eigentümer) ist daher ein geeignetes Mittel, um dieses Ziel zu erreichen.
Trotz des oben Beschriebenen stellte der EuGH fest, dass der Eingriff in die in den Artikeln 7 und 8 EuGRCh garantierten Grundrechte in diesem Fall so schwerwiegend ist, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht eingehalten wird, was den vorgenannten Eingriff ausgleichen würde. Dabei beschränkt sich der Grundrechtseingriff nicht einmal auf das unbedingt Notwendige, auch steht nicht in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel. Eine angemessene Ausgleichsmaßnahme für ein Einschreiten nach dem EuGH ist weder die Offenlegung von Informationen über wirtschaftlich Berechtigte von Online-Registrierungen noch die Feststellung außergewöhnlicher Umstände, wann der Zugriff für die breite Öffentlichkeit eingeschränkt ist.
Der EuGH erklärte die beschriebene Bestimmung der Geldwäscherichtlinie für ungültig. Es ist daher zu fragen, welche Folgen dies sowohl für das europäische Recht selbst als auch für das nationale Recht hat, das im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie verabschiedet wurde. Das Urteil des EuGH wirkt ex tunc, also bereits ab Beginn des Inkrafttretens der Rechtsnorm. Mit anderen Worten, die ungültige Bestimmung der Richtlinie wird in diesem Fall so angesehen, als hätte es sie nie gegeben.
Zunächst wird sich die Europäische Kommission selbst mit der unwirksamen Bestimmung auseinandersetzen müssen, die die Auswirkungen des verkündeten Urteils sorgfältig prüfen und dann die ungültige Bestimmung der Richtlinie durch eine neue Bestimmung ersetzen sollte. Ebenso sollten die Mitgliedstaaten vorgehen, wenn ihr innerstaatliches Recht eine wörtliche Umsetzung der unwirksamen Bestimmung enthält. Wenn nationales Recht von der Richtlinie abweicht, sollten die Mitgliedstaaten eine Bewertung vornehmen, ob die Abweichungen im Einklang mit der einschlägigen Richtlinie und der EuGRCh stehen. Durch das beschriebene Urteil des EuGH wird daher auch unser Gesetz Nr. 37/2021 Slg., über die Erfassung wirtschaftlich Berechtigter, geändert werden.
Autor: Veronika Odrobinová, Jessica Vaculíková