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Veronika Odrobinová | | October 10, 2022

DIE TSCHECHISCHE REPUBLIK VERZÖGERT BEI DER UMSETZUNG DER VERBESSERUNG DER STELLUNG DER ARBEITNEHMER

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Einleitung

Die Tschechische Republik verzögert schon traditionell bei der Umsetzung von EU-Richtlinien. Verzögerte Umsetzung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates (EU) 2019/1152 vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (im Folgenden als „Richtlinie“ bezeichnet) ist bei weitem kein sporadisches Ereignis.

Die Frist für die Umsetzung der Richtlinie ist bereits am 1. August 2022 abgelaufen, aber das Parlament diskutiert noch nicht über die Annahme der entsprechenden Änderung des Gesetzes Nr. 262/2006 Slg., Arbeitsgesetzbuch, in der jeweils geltenden Fassung ("Arbeitsgesetzbuch “).

Der EU-Mitgliedstaat ist verpflichtet, die Richtlinien zu implementieren; kommt ein Mitgliedstaat der Verpflichtung nicht nach, kann die EU-Kommission gegen den Mitgliedstaat ein Verfahren wegen Nichterfüllung der Verpflichtung gemäß Art. 258 Abs. 2 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, einleiten.

Zum Ende 2021 wurden 42  solche Verfahren gegen die Tschechische Republik geführt, während beispielsweise gegen Dänemark nur 13 solche Verfahren geführt wurden.

Die Richtlinie gilt für alle Arbeitnehmer in der Union, unabhängig davon, ob sie einen Arbeitsvertrag abgeschlossen haben oder sich in einem, von einer Vereinbarung über Arbeitstätigkeit/DPČ oder einer Vereinbarung über die Arbeitsausführung/DPP (oder auf andere Weise) begründeten Arbeitsverhältnis befinden.

Der Zweck der Richtlinie besteht darin, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, indem die Arbeitsbeziehungen vorhersehbarer und transparenter gemacht werden.

Unmittelbare Auswirkungen der Richtlinie

Da die Richtlinie nicht rechtzeitig in die tschechische Rechtsordnung umgesetzt wurde, hat die Richtlinie eine vertikale Direktwirkung gegenüber dem „Staat“, da die Richtlinie klar und präzise  ist.

Aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass die unmittelbare vertikale Wirkung der Richtlinie nicht nur direkt gegenüber einem Mitgliedstaat, sondern auch gegenüber Subjekten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts (z.B. Gemeinden, Regionen, ČAK/Tschechische Anwaltskammer, ČLK/Tschechische Ärztekammer), die ein Bestandteil des Staates im weiteren Sinne sind, sowie gegenüber den Subjekten oder Körperschaften, die der Autorität oder Aufsicht des Staates unterliegen (z.B. Budweiser Budvar, Nationales Unternehmen), oder gegenüber Körperschaften oder Subjekten, die über außergewöhnliche Befugnissen zwecks Erfüllung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse verfügen (z.B. Versicherungsunternehmen) .

Alle diese Einheiten oder Subjekte werden vom EU-Gerichtshof als "Staat" bezeichnet, obwohl der Begriff „Staat“ im tschechischen Recht viel restriktiver ausgelegt wird. 

Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob das betreffende Subjekt oder die Körperschaft unter den Begriff "Staat" subsumiert werden kann und ob die Richtlinie somit vertikale direkte Wirkung hat (falls dem EU-Gerichtshof keine vorläufige Frage gestellt wird). 

Der Arbeitnehmer kann sich also direkt gegenüber dem „Staat“ auf die Richtlinie berufen, bzw. auf die Bestimmungen der Richtlinie, die klar, bestimmt und unbedingt sind.

Änderungen, die der Gesetzgeber in die Rechtsordnung umsetzen sollte

Art. 4 Abs. 2 Buchst. m) und Art. 10 Abs. 1 und 2 der Richtlinie erlegt dem Arbeitgeber die Pflicht auf, den Arbeitnehmer, wenn er keine vorhersehbaren Arbeitszeiten hat (diese Situation kann nur bei DPČ und DPP  auftreten, da der Arbeitgeber hier nicht verpflichtet ist, Arbeitszeiten  zu planen), über die Zahl der garantierten Arbeitszeiten/bezahlten Stunden, über die sog. Referenzstunden und -tage (Zeitpunkt, wann der Arbeitgeber das Recht hat, vom Arbeitnehmer die Leistung der Arbeit zu verlangen) und über die Mindestfrist für die Meldung oder Stornierung des Arbeitsauftrags zu informieren.

Ohne rechtzeitige Mitteilung des Arbeitsauftrags durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer hat der Arbeitnehmer das Recht, den erteilten Arbeitsauftrag straflos abzulehnen. 

Die Richtlinie erweitert auch geringfügig die Informationspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, einschließlich Informationen über Überstundenregelungen, das Recht auf berufliche Weiterbildung (Schulung/Training), die Dauer und Bedingungen einer etwaigen Probezeit.

Art. 12 der Richtlinie legt die Verpflichtung des Arbeitgebers fest, innerhalb eines Monats schriftlich auf den Antrag eines Arbeitnehmers auf Versetzung an eine andere Arbeit (mit besser vorhersehbaren und bestimmten Bedingungen) zu reagieren. Ein Arbeitnehmer kann eine Versetzung erst nach einem halben Jahr der für den Arbeitgeber ausgeübten Tätigkeit und nach Ablauf der Probezeit beantragen.

Art. 18 der Richtlinie verankert das Recht des Arbeitnehmers auf eine ordnungsgemäße schriftliche Begründung der Kündigung oder einer Maßnahme gleicher Wirkung (z.B., wenn dem Arbeitnehmer längere Zeit keine Arbeitsaufgabe zugewiesen wurde).

Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass einige Anforderungen der Richtlinie bereits durch das Arbeitsgesetzbuch erfüllt werden (z.B. die maximale Dauer der Probezeit überschreitet nicht 6 Monate).

Fazit

Die Richtlinie wurde nicht umgesetzt, sodass die Tschechische Republik Gefahr läuft, dass die Kommission weitere Verfahren wegen Nichterfüllung der Verpflichtung einleitet. 

Obwohl die Richtlinie bereits eine horizontale direkte Wirkung gegenüber dem "Staat" hat, ändert sie das tschechische Arbeitsrecht nicht grundlegend. Vielmehr führt die Richtlinie geringfügige Änderungen ein, die darauf abzielen, die Position der Arbeitnehmer zu verbessern.

Diese Änderungen können jedoch bereits von den Arbeitnehmern eines "Staates" direkt geltend gemacht werden (d.h. der Bestimmungen der Richtlinie, die klar und präzise sind).

Die Richtlinie wird die Position von Personen stärken, die auf der Grundlage einer Vereinbarung über außerhalb des Arbeitsverhältnisses durchgeführte Arbeiten (DPČ und DPP) arbeiten, insbesondere dank der Verpflichtung, über die Referenzstunden im Voraus zu informieren. Andererseits wird die Flexibilität des Arbeitgebers erheblich eingeschränkt, was das Hauptmotiv für die Nutzung von DPP und DPČ ist.

Derzeit befindet sich bereits ein Entwurf zur Änderung des Arbeitsgesetzbuchs im ressortübergreifenden Stellungnahmeverfahren, der unter anderem die Richtlinie umsetzen sollte, sodass die Besserung hoffentlich in absehbarer Zeit erfolgen wird.

Autor: Veronika Odrobinová, Petr Berdych