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Marie Mandíková | July 30, 2024

Ein Mitarbeiter weigerte sich, eine Atemschutzmaske zu tragen – Vorsicht betr. Diskriminierung!

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So sehr es auch scheinen mag, dass die Covid-19-Pandemie völlig an Relevanz verloren hat, ihre Auswirkungen und damit verbundenen Erfahrungen prägen die Gesellschaft weiterhin in verschiedenen Bereichen unserer Aktivitäten. Nicht anders verhält es sich im Bereich des Arbeitsrechts, das dank der Notwendigkeit einer ständigen Anpassung an neue Bedingungen, die durch außerordentliche staatliche Maßnahmen geschaffen wurden, einer konsequenten Reform unterzogen wurde. Die Pandemie hat die Einführung neuer Elemente der Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt beschleunigt, beispielsweise die massive Einführung von Fernarbeit. In Branchen, in denen es nicht möglich war, dieses Instrument umzusetzen, waren Arbeitgeber gezwungen, als Reaktion auf das sich ausbreitende Atemwegsvirus, die Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz zu verstärken.

Streitigkeiten, die sich aus der Kollision individueller Rechte mit allgemein geschützten Interessen ergeben, werden auch heute noch von den Gerichten behandelt. Einer davon ist ein Streit zwischen einem Arbeitgeber und einer Arbeitnehmerin, die sich während der Anti-Epidemie-Maßnahmen geweigert hatte, am Arbeitsplatz eine Atemschutzmaske zu tragen, und deshalb gezwungen war, unbezahlten Urlaub zu nehmen. War aber der Arbeitgeber berechtigt, ihr den unbezahlten Urlaub zu verordnen, oder handelte es sich um ein Hindernis seitens des Arbeitgebers, für das die Arbeitnehmerin Anspruch auf eine Entschädigung hatte? Mit diesen Fragen befasste sich das Oberste Gericht in seiner Entscheidung vom 19. 2. 2024, AZ. 21 Cdo 1577/2022-180, dessen Schlussfolgerungen und Ausgangspunkte wir in diesem Artikel vorstellen möchten.

Die Umstände des Streits

Die Arbeitnehmerin arbeitete für den Arbeitgeber als Planer. Im Oktober des Jahres 2020 hat der Arbeitgeber gemäß den fortlaufend erlassenen Notfallmaßnahmen des Gesundheitsministeriums allen seinen Mitarbeitern die Pflicht auferlegt, die vorgeschriebene Atemschutzmaske zu tragen. Die Mitarbeiterin verweigerte jedoch das Tragen der Maske mit der Begründung, dass sie dazu aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei. Als Reaktion auf diesen Anspruch verlangte der Arbeitgeber, dass die Arbeitnehmerin ein ärztliches Attest vorlegte, aus dem hervorgeht, dass sie aus gesundheitlichen Gründen arbeitsunfähig sei. Die Mitarbeiterin legte einen ärztlichen Bericht vor, in dem es hieß, dass die Mitarbeiterin an einer langfristigen, nicht ansteckenden Atemwegserkrankung leide und aus diesem Grund nicht empfohlen werde, die Atemwege mit einem Textilstoff abzudecken. Allerdings löste diese Bestätigung beim Arbeitgeber begründete Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit aus, da sie von einem Arzt unterzeichnet war, der denselben Nachnamen wie die Arbeitnehmerin trug. Die Arbeitnehmerin lehnte jedoch die Aufforderung des Arbeitgebers zu einer außerordentlichen ärztlichen Untersuchung beim arbeitsmedizinischen Dienstleister ab. Die Arbeitnehmerin befand sich somit im Zeitraum von 6. bis 26. 10. 2020 gezwungen, unbezahlten Urlaub zu nehmen.

Am 9. 2. 2021 reichte sie eine Klage gegen den Arbeitgeber ein und forderte damit einen Lohnersatz und eine Entschuldigung wegen Diskriminierung aus gesundheitlichen Gründen. Nach der Abweisung der Klage durch das erstinstanzliche Gericht und der Bestätigung des abweisenden Urteils durch das Berufungsgericht gelangte der Streit bis zum Obersten Gericht.

Schlussfolgerungen des Obersten Gerichts

Das Oberste Gericht befasste sich mit der Auslegung von § 3 Absatz 2 des Antidiskriminierungsgesetzes, der eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen regelt, die darin besteht, dass angemessene Maßnahmen unterlassen oder verweigert werden, um sicherzustellen, dass eine Person mit einer Behinderung Zugang zu einem bestimmten Arbeitsplatz, der Arbeitsleistung oder beruflicher Weiterentwicklung hat. Das Gericht kam in seinen Beratungen zu dem Schluss, dass der Arbeitgeber bei einer Behinderung des Arbeitnehmers, die seine Teilnahme am Berufsleben verhindert oder verhindern könnte, seinem Verlangen nachkommen muss, eine angemessene Maßnahme zu treffen, die ihm die Teilnahme ermöglichen würde. Kommt der Arbeitgeber dem Ersuchen nicht nach, obwohl der Erlass einer solchen Maßnahme für ihn keine unzumutbare Belastung darstellen würde, begeht er eine diskriminierende Handlung im Sinne des § 3 Abs. 2 Antidiskriminierungsgesetz. Im vorliegenden Fall wurde dem Arbeitgeber mitgeteilt, dass die Arbeitnehmerin an einer langfristigen chronischen gesundheitlichen Einschränkung leide, die sie daran hindere, ihre Arbeit unter den seinerseits neu festgelegten Bedingungen auszuüben. Dennoch bestand der Arbeitgeber darauf, dass die Arbeitnehmerin entweder unter diesen Bedingungen (von denen sie zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsverhältnisses nichts wissen konnte) ihre Arbeit verrichtete oder unbezahlten Urlaub nahm. Daher habe der Arbeitgeber nicht versucht, eine geeignete Maßnahme zu finden, deren Umsetzung es der Arbeitnehmerin ermöglichen würde, ihre Arbeitsleistung zu erbringen.

Darüber hinaus gelangte das Oberste Gericht zu der Auffassung, dass der Arbeitgeber aufgrund der außerordentlichen Maßnahmen der Regierung im Zusammenhang mit dem Gesetz zum Schutz der öffentlichen Gesundheit weder verpflichtet noch befugt sei, die Einhaltung der durch diese Maßnahmen auferlegten Verpflichtungen seitens seiner Arbeitnehmer zu kontrollieren und von ihnen dies zu verlangen.
Wollte er daher die festgelegten Pflichten gegenüber seinen Mitarbeitern durchsetzen, hätte er diese in seine internen Vorschriften zum Gesundheits- und Sicherheitsschutz aufnehmen müssen. Anschließend könnte nämlich - gemäß § 349 Abs. 2 Arbeitsgesetzbuch - die Erfüllung der Verpflichtung im Rahmen einer individuellen Weisung eines Vorgesetzten verlangt werden, die nur dann verweigert werden kann, wenn sie im Widerspruch zu gesetzlichen Vorschriften steht.

Im vorliegenden Fall gelangte daher das Oberste Gericht zu dem Schluss, dass - wenn der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin die Erbringung der Arbeitsleistung gemäß dem Arbeitsvertrag nicht gestattete und der Grund darin bestand, dass die Arbeitnehmerin die neuen Maßnahmen des Arbeitgebers wegen einer unmittelbaren Gesundheitsgefahr ablehnte - es ein Hindernis seitens des Arbeitgebers darstellte. Gemäß der Bestimmung von § 208 des Arbeitsgesetzbuches hat der Arbeitnehmer – im Falle eines Arbeitshindernisses seitens des Arbeitgebers, sofern es sich nicht um wetterbedingte Ausfallzeiten oder Arbeitsunterbrechungen handelt – Anspruch auf eine Lohnerstattung in Höhe des Durchschnittsverdienstes.

Der Fall wird somit erneut an das erstinstanzliche Gericht verwiesen, das sich mit den rechtlichen Schlussfolgerungen des Obersten Gerichts befassen muss.

Auswirkungen von Entscheidungen in der Anwendungspraxis

Obwohl man der Logik der Argumentation des Obersten Gerichts nicht widersprechen kann, erscheint die diskutierte Entscheidung aus Sicht der praktischen Erfahrung unter Berücksichtigung der Umstände des Falles zu formalistisch. Widersprüchlich ist vor allem die Rechtsauffassung, mit der das Oberste Gericht die Befugnis des Arbeitgebers zur Durchsetzung der Einhaltung der durch staatliche Maßnahmen zum Zweck des Gesundheitsschutzes während der Pandemie festgelegten Pflichten verneint hat. Für Arbeitgeber ist dies ein klares Signal, auch unter völlig außergewöhnlichen und noch nie dagewesenen Umständen rechtlich umsichtig vorzugehen. Gleichzeitig befasste sich das Oberste Gericht nicht mit der Frage der Richtigkeit des vorgelegten Gesundheitszeugnisses, die aus Sicht der Praxis zweifellos eine der wichtigsten Fragen für Arbeitgeber darstellte, blieb jedoch ungeklärt.