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Marie Mandíková | June 18, 2024

Entscheidung des EuGH: Gelten die Pflichten lt. Richtlinie 2015/849 auch für Immobilienvermieter?

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In seiner jüngsten Entscheidung[1] befasste sich der Gerichtshof mit einer Frage, die Immobilieneigentümer, die ihre Immobilien an Handelsgesellschaften vermieten, grundsätzlich betrifft: gelten für sie die Pflichten im Zusammenhang mit der Verhinderung von Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung? Dies würde einen erheblichen Anstieg von Verwaltungsaufwand für solche Dienstleistungen bedeuten – und wer diesen Verpflichtungen bisher nicht nachgekommen ist, dem würden auch Sanktionen drohen.

Die Umstände des Streits

Der Streit betraf ein lettisches, sich auf den Handel und die Vermietung von Immobilien orientiertes Unternehmen. Zu den Mietern gehörten auch juristische Personen und rechtliche Einheiten, die die Adresse der gemieteten Räumlichkeiten als Adresse ihres im öffentlichen Register eingetragenen Firmensitzes verwendeten. Aufgrund dieser Tatsache kam die lettische staatliche Steuerverwaltung bei der Kontrolle des Unternehmens zu dem Schluss, dass das Unternehmen die Tätigkeit eines „Anbieters von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Gründung und dem Funktionieren von rechtlichen Einheiten bzw. juristischen Personen“ ausübte und gilt daher als Pflichtsubjekt nach dem Geldwäschereigesetz.

Das lettische Recht verbindet mit dem Statut der pflichtigen Person einige besondere Verpflichtungen, die das Unternehmen jedoch nicht erfüllt hat, weshalb ihm eine Geldstrafe in Höhe von 1.000 EUR auferlegt wurde.
Das mit der Geldbuße belegte Unternehmen widersprach jedoch dieser Schlussfolgerung und behauptete, dass es keine besonderen Dienstleistungen für Mieter erbringe und dass die abgeschlossenen Mietverträge lediglich das Recht der Mieter vorsähen, ihren Wohnsitz in der gemieteten Immobilie im öffentlichen Register einzutragen.

Geltungsbereich der Richtlinie

Das lettische Gesetz zur Verhinderung von Geldwäsche stellt die Umsetzung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des (EU) Rates 2015/849 vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zur Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung (im Folgenden als „Richtlinie“ bezeichnet) dar. Artikel 2 der Richtlinie listet Unternehmen auf, für die die Bestimmungen der Richtlinie aufgrund ihrer Beteiligung an der Ausführung einer Transaktion oder Tätigkeit finanzieller Art gelten. Zu diesen Unternehmen zählen Anbieter von Vertrauensdiensten oder Dienstleistungen für Handelsgesellschaften.

Gemäß der Richtlinie gilt als Dienstleister für Handelsunternehmen unter anderem derjenige bzw. jeder, wer als Unternehmer einem Dritten[2] seinen Sitz, seine Firmenanschrift, seine Lieferadresse oder seine Verwaltungsanschrift zur Verfügung stellt und weitere damit verbundene Dienstleistungen erbringt. Darüber hinaus definiert die Richtlinie den Begriff der damit verbundenen Dienstleistungen nicht und enthält nicht einmal eine Beispielliste. Der Gerichtshof musste daher die Frage klären, ob eine Bestimmung in einem Mietvertrag, die es dem Mieter – einer Handelsgesellschaft – ermöglicht, die Adresse der Immobilie als seinen Sitz einzutragen, eine Zurverfügungstellung eines Sitzes im Sinne der Richtlinie darstellt.

In seiner Begründung führte der Gerichtshof zunächst aus, dass Gegenstand des Mietverhältnisses die Verpflichtung des Vermieters sei, dem Mieter die Immobilie zur Verfügung zu stellen. Im tschechischen Rechtssystem wird die Problematik der Miete durch die Bestimmung § 2201 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geregelt, die besagt, dass sich der Vermieter mit dem Mietvertrag verpflichtet, dem Mieter die Immobilie zur vorübergehenden Nutzung zu überlassen und der Mieter ist verpflichtet, dafür Miete an den Vermieter zu zahlen. Von diesem Vertragsverhältnis ist die Dienstleistung betr. Zurverfügungstellung zu unterscheiden, die naturgemäß nicht den Abschluss eines Mietvertrages voraussetzt, sondern im Gegenteil in der Regel beispielsweise die Leistungen betr. Entgegennahme, Erfassung und ggf. Weiterleitung empfangener Post
an das adressierte Unternehmen umfasst.

Darüber hinaus lässt sich aus der Absicht des Gesetzgebers - dass die Liste der Verpflichteten auch Vermieter allgemein oder bei Vorliegen anderer Voraussetzungen umfassen sollte - nicht ableiten, da er diese nicht in die Liste im Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie aufgenommen hat.

Schlussfolgerungen des Gerichtshofs

Der Gerichtshof gelangte daher zu dem Schluss, dass die bloße Zurverfügungstellung einer Immobilie (d.h. der Abschluss eines Mietvertrags) keine Erbringung von Vertrauensdienstleistungen oder Dienstleistungen für Handelsgesellschaften im Sinne der Richtlinie darstellt, selbst wenn der Vermieter dem Mieter die Zustimmung zur Unterbringung seines Sitzes in der Immobilie erteilt.

Allerdings stellt die Richtlinie lediglich einen Harmonisierungsrahmen dar, der einen Mindeststandard an Regulierung festlegt, der den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten den Spielraum lässt, die Problematik betr. Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung strenger zu regeln. Gemäß Artikel 4 Absatz 1 haben die Mitgliedstaaten das Recht (und gleichzeitig die Pflicht), im Einklang mit den Grundsätzen der Richtlinie sicherzustellen, dass ihr Anwendungsbereich auch auf andere Berufe und Unternehmenskategorien Anwendung findet, die nicht in der Liste der verpflichteten Personen aufgeführt sind, wenn diese Tätigkeiten ausüben, bei denen eine hohe Wahrscheinlichkeit der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung besteht.

Allerdings hat das lettische Rechtssystem die Bestimmungen der Richtlinie eher minimalistisch umgesetzt und ihren Anwendungsbereich in keiner Weise erweitert, sodass nicht der Schluss gezogen werden kann, dass die darin festgelegten Verpflichtungen auch für Immobilienvermieter gelten sollten, die den Mietern die Registrierung ihres Wohnsitzes in ihren Immobilien gestatten.

Auswirkungen der Entscheidung des Gerichtshofs in der Praxis

Mit der oben genannten Entscheidung wird klargestellt, dass Immobilienvermieter, die ihren Mietern die Einwilligung erteilt haben, ihren Sitz in ihren Immobilien zu errichten, nicht ohne Weiteres den in der Richtlinie festgelegten Verpflichtungen unterliegen. Als verpflichte Person gilt hingegen ein Anbieter des „virtuellen Sitzes“, da die Räumlichkeiten in diesem Fall nicht tatsächlich genutzt werden und diese Dienstleistung in den meisten Fällen zumindest die Abholung und Weiterleitung der Post beinhaltet.

[1] Urteil des Gerichtshofs von 18. 4. 2024 betr. C‑22/23, AZ. ECLI:EU:C:2024:327

[2] Unter einem solchen Dritten im Sinne der Richtlinie versteht man eine Handelsgesellschaft, eine Handelsgemeinschaft
   oder eine andere juristische Person bzw. rechtliche Einheit.