GT News

Steuern, Buchhaltung, Recht und mehr. Alle wichtigen Neuigkeiten für Ihr Unternehmen.

| August 14, 2023

EU versus Algorithmen. „Wir werden entgegenkommen“, reagierte TikTok, Amazon will prozessieren

Teile den Artikel

Die Europäische Union ist weiterhin bestrebt, einen besseren Schutz der Internetnutzer zu gewährleisten. Die neue Verordnung über digitale Dienste soll große Online-Player mit mehr als 45 Millionen Nutzern transparenter und verantwortungsvoller machen. Riesige Plattformen wie Facebook, Twitter, TikTok oder Google und weitere müssen ab 25. August  die Anforderungen des sog. Digital Services Act erfüllen. Das Hauptziel der neuen Regeln
besteht darin, den Content-Targeting-Mechanismus transparenter zu machen und Minderjährige zu schützen.

Die Europäische Union versucht erneut, das Online-Umfeld immer besser zu regulieren und europäische Internetnutzer wirksamer zu schützen. Dieses Mal fokussiert sie hauptsächlich
auf die großen Player, durch die in November 2022  in Kraft getretene Verordnung 2022/2065 zu digitalen Diensten (im Folgenden „DSA“).

Gemäß DSA waren Online-Plattformen verpflichtet, die Anzahl ihrer Nutzer bis zum 17. Februar 2023 zu veröffentlichen. Wenn eine Online-Plattform oder Internet-Suchmaschine mehr als 45 Millionen Nutzer (10 % der EU-Bevölkerung) hat, wurde sie von der Europäischen Kommission (im Folgenden „EK“) als sog. sehr große Online- Plattform (im Folgenden: „VLOP“) erklärt.

Basierend auf den bereitgestellten Daten hat die EU 19 solche Plattformen bestimmt. Es sind: Alibaba AliExpress, Amazon Store, Apple AppStore, Booking.com, Facebook, Google Play, Google Maps, Google Shopping, Instagram, LinkedIn, Pinterest, Snapchat, TikTok, Twitter, Wikipedia, YouTube, Zalando, Bing und Google Search, wobei die beiden letztgenannten
als sehr große Online-Suchmaschinen bezeichnet werden; Laut EK ist Google so groß und betreibt eine beträchtliche Anzahl wesentlicher Dienste und Plattformen, dass es in mehrere Subjekte aufgeteilt wurde.

Nächste Schritte für VLOP

Sehr große Online- Plattformen (VLOP) müssen jährliche Bewertungen der von ihren Plattformen ausgehenden Risiken in Bereichen wie öffentliche Gesundheit, Kindersicherheit und Meinungsfreiheit durchführen. Gleichzeitig müssen sie Maßnahmen zur Bewältigung dieser Risiken festlegen. Die erste derartige Beurteilung muss bis 25. August 2023 fertig sein.

Verantwortlichkeiten für VLOP lt. DSA

In Grundzügen ließen sich die Verpflichtungen wie folgt zusammenfassen: mehr Berechtigungen für Nutzer, starker Jugendschutz, strengere Moderation von Inhalten
und weniger Fehl-/Desinformationen, mehr Transparenz und Verantwortung.

Europäische Nutzer sollten beispielsweise eine Erklärung erhalten, warum ihnen bestimmte Informationen angezeigt werden, sie werden das Recht haben, sich von der Profilerstellung abzumelden, alle Anzeigen müssen gekennzeichnet sein, damit es klar ist, wer sie bewirbt;
und die Bedingungen für die Nutzung der einzelnen Plattformen müssen für sie verständlich
und in ihrer Landessprache verfügbar sein.

Die Systeme müssen neu so gestaltet werden, um ein hohes Schutzniveau für Minderjährige zu gewährleisten, wobei gezielte Werbung für Minderjährige nicht zulässig ist. Zusätzlich zu der oben genannten Risikobewertung muss die VLOP-Plattform eine spezielle Risikobewertung für Minderjährige, einschließlich der negativen Auswirkungen auf deren psychische Gesundheit durchführen, sowie diese bis 25. August 2024 veröffentlichen.

Plattformen sollten außerdem Maßnahmen einführen, die es Nutzern ermöglichen, illegale Inhalte einfach zu melden und die Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit zu minimieren.
Die Plattform muss schnell reagieren, nachdem von Nutzern etwas gemeldet wurde. Gleichzeitig übt EK mittels DSA einen Druck auf VLOP-Plattformen für einen stärkeren Kampf gegen Fehlinformationen aus. Der Eurokommissar Thierry Breton erklärte, dass beispielsweise die September-Wahlen in der Slowakei der erste scharfe Test für VLOP sein werden. Seiner Meinung nach hat Facebook großen Einfluss auf die öffentliche Meinung in der Slowakei.
Meta (Betreiber von Facebook) muss sicherstellen, dass der hybride Krieg, der in sozialen Netzwerken stattfindet (z.B. im Zusammenhang mit dem russisch-ukrainischen Krieg), keine negativen Auswirkungen auf die slowakische Gesellschaft hat.

VLOP-Plattformen müssen außerdem sicherstellen, dass ihre Risikobewertung und Einhaltung der Verpflichtungen gemäß DSA extern und unabhängig überprüfbar sind. Forscher
erhalten Zugriff auf die Daten und beauftragte Forscher erhalten später einen speziellen Datenzugriffsmechanismus. Plattformen müssen außerdem Transparenzberichte über Entscheidungen zur Inhaltsmoderation und zum Risikomanagement veröffentlichen.

Wie ist die Reaktion der großen Player?

Die meisten von ihnen haben bisher in keiner Weise reagiert. Die einzige Plattform, die ihre Schritte angekündigt hat, womit sie die DSA- Anforderungen einhalten möchte, ist das soziale Netzwerk TikTok. Es ermöglicht den Nutzern in der Europäischen Union den personalisierten Empfehlungsalgorithmus und Livestreams deaktivieren, während diesen Nutzern dann Beiträge basierend auf ihrer Beliebtheit in der EU angezeigt werden.

Außerdem werden neue Maßnahmen bzw. Tools zur Meldung anstößiger Beiträge eingeführt. Eine weitere bedeutende Änderung betrifft Jugendliche. Die Profile von Personen im Alter von 13 – 17 Jahren werden standardmäßig gesperrt, ihre Beiträge werden nicht in den personalisierten Empfehlungsalgorithmus einbezogen und es wird untersagt, auf sie personalisierte Anzeigen zu zielen.

Den gegenteiligen Ansatz verfolgten Zalando und Amazon. Diese Unternehmen entschieden sich für den Weg des Widerstands und fochten ihre Aufnahme in die VLOP-Gruppe beim Tribunal der Europäischen Union, dem zweithöchsten Gericht der Europäischen Union, an.
Amazon argumentiert unter anderem, dass es in keinem der EU-Länder, in denen es tätig ist, der größte Verkäufer sei und dass seine direkten Konkurrenten auf diesen Märkten nicht in der VLOP-Gruppe enthalten seien, und beantragte beim Gericht die Aufhebung der Einbeziehung von Amazon in die VLOP-Gruppe. Die Gesellschaft Zalando gab an, dass es ihr aufgrund ihres Geschäftsmodells nicht möglich sei, hasserfüllte oder anderweitig anstößige Inhalte zu verbreiten.

Es droht eine saftige Geldstrafe

Die EK verfügt über ein sehr leistungsfähiges Instrument zur Durchsetzung von DSA und zur Einhaltung der darin festgelegten Verpflichtungen. Sie kann Entscheidungen treffen, dass
der betroffene Anbieter einer sehr großen Online-Plattform oder einer sehr großen Internet-Suchmaschine eine oder mehrere Vorschriften gemäß DSA nicht einhält. In einem solchen Fall droht dann dem VLOP-Anbieter ein Bußgeld in Höhe von bis zu 6 % seines gesamten weltweiten Jahresumsatzes im vorangehenden Abrechnungszeitraum, was besonders
für diese großen Player ein wirklich spürbarer finanzieller Rückgriff ist.

Autor: Tomáš Přibyl