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Marie Mandíková | February 27, 2024
Am 18. Januar 2024 entschied der Gerichtshof der EU über eine Vorfrage in einem arbeitsrechtlichen Streit zwischen einem Arbeitnehmer mit einer Behinderung und einem Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis mit ihm aufgrund dauerhafter Arbeitsunfähigkeit beendete.
Zusammenfassung der Umstände des Falles
Ein Mitarbeiter, der in Spanien als Lkw-Fahrer für die Sammlung gemischter Siedlungsabfälle tätig war, erlitt vier Jahre nach seinem Arbeitsantritt einen Arbeitsunfall. Als Folge dieser Verletzung erlitt er einen offenen Bruch des Fersenbeins.
Der Arbeitnehmer befand sich in einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit, die durch die Entscheidung des spanischen Nationalsozialversicherungsamtes beendet wurde. Das Amt gewährte dem Arbeitnehmer eine pauschale Entschädigung für bleibende Gesundheitsschäden, lehnte jedoch die Gewährung einer dauernden Arbeitsunfähigkeit ab. Der Arbeitnehmer wurde daraufhin auf seinen Wunsch vom Arbeitgeber an einen anderen, körperlich weniger anstrengenden Arbeitsplatz versetzt.
Zu guter Letzt erkannte das Gericht dem Arbeitnehmer eine vollständige dauerhafte Arbeitsunfähigkeit zur Ausübung seiner gewöhnlichen Tätigkeit sowie Anspruch auf einen monatlichen Beitrag in Höhe von 55 % seines Tageslohns an. Der Arbeitgeber teilte dem Arbeitnehmer daraufhin die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses aus diesem Grund mit.
Der Arbeitnehmer entschloss sich, sich dagegen gerichtlich zu wehren, die Klage wurde jedoch mit der Begründung abgewiesen, dass die Anerkennung der vollständigen dauerhaften Arbeitsunfähigkeit zur Ausübung der gewöhnlichen Tätigkeit einen rechtlichen Kündigungsgrund darstelle, ohne dass für den Arbeitgeber eine rechtliche Verpflichtung zur Versetzung des Arbeitnehmers an eine andere Stelle innerhalb des Unternehmens bestehe.
Europäische Gesetzgebung und Schlussfolgerungen des EuGH
Der Gerichtshof stellte fest, dass der Arbeitnehmer im vorliegenden Fall in die Kategorie der Menschen mit Behinderungen im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG[1] (im Folgenden „Richtlinie“) fällt. Der bleibende körperliche Schaden des Arbeitnehmers führte zu einer Einschränkung seiner Arbeitsfähigkeit und stellte ein Hindernis für seine volle Teilnahme am Arbeitsleben dar.
Die Charta der Grundrechte der EU (nachfolgend „Charta“ genannt) definiert unter anderem das Recht von Menschen mit Behinderungen auf soziale und berufliche Eingliederung und verbietet gleichzeitig Diskriminierung aufgrund einer Behinderung[2]. Diskriminierung in diesem Sinne umfasst auch die Verweigerung angemessener Gestaltung.
In der Richtlinie heißt es: „Um die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten, müssen für diese Menschen angemessene Vorkehrungen getroffen werden. [3]“ Wenn es die konkrete Situation erfordert, muss der Arbeitgeber wirksame und praktische Maßnahmen ergreifen, um der behinderten Person den Zutritt zur Beschäftigung, ihre Arbeitsausübung oder den beruflichen Aufstieg zu ermöglichen. Eine solche Maßnahme kann beispielsweise auch die Versetzung eines Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz sein. Es ist jedoch wichtig zu erwähnen, dass der Arbeitgeber nicht zu Maßnahmen gezwungen werden kann, die für ihn eine unverhältnismäßige Belastung darstellen würden (z.B. im Hinblick auf finanzielle Kosten).
Der Gerichtshof gelangte zu dem Schluss, dass die nationalen Rechtsvorschriften in Spanien in Widerspruch zum Artikel 5 der Richtlinie in Verbindung mit den Artikeln 21 und 26 der Charta stehen, da sie die Entlassung eines Arbeitnehmers aufgrund einer während des Arbeitsverhältnisses verursachten Behinderung ermöglichen. Gleichzeitig gibt es keine Verpflichtung des Arbeitgebers:
Der EuGH betonte, dass die Mitgliedstaaten das beabsichtigte Ziel von Artikel 5 der Richtlinie in Verbindung mit den Artikeln 21 und 26 der Charta respektieren müssen, das darin besteht, das Recht auf Arbeit (und auf Verbleib in Beschäftigung) auch für Menschen mit Behinderungen sicherzustellen. Die Anpassung des Systems und die Festlegung der Bedingungen für die Gewährung von Leistungen im Bereich der Sozialversicherung liegt in der Zuständigkeit jedes einzelnen Mitgliedstaats, der jeweilige Staat ist jedoch verpflichtet, die in der europäischen Gesetzgebung enthaltenen Grundsätze und Annahmen[4] zu berücksichtigen.
Würde das tschechische Arbeitsgesetzbuch Bestand haben, oder droht der Tschechischen Republik möglicherweise ein Problem?
Abschließend ist es angebracht, die Frage zu stellen, ob die tschechische Gesetzgebung im Hinblick auf die Auslegung der EuGH-Entscheidung den Anforderungen der Richtlinie entspricht.
Für den Fall, dass der Arbeitnehmer aufgrund eines Arbeitsunfalls seiner derzeitigen Tätigkeit nicht mehr nachgehen darf, kann der Arbeitgeber mit ihm gemäß § 52 Buchst. d) des Arbeitsgesetzbuches[5], das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beenden. Der Arbeitgeber ist jedoch nicht dazu verpflichtet, zunächst zu versuchen, den Arbeitnehmer an einen anderen Arbeitsplatz zu versetzen (oder nachzuweisen, dass dies eine unverhältnismäßige Belastung für ihn bedeuten würde) und den Arbeitnehmer nur als letzten Ausweg zu kündigen[6]. Es ist daher davon auszugehen, dass die tschechische Rechtsordnung nicht den Anforderungen der europäischen Gesetzgebung zum Schutz des Rechts auf Arbeit entspricht.
Wie wird der Gesetzgeber auf das Urteil des EuGH und die mögliche Kollision des tschechischen Rechtssystems mit dem EU-Recht reagieren? Wird diese Rechtsprechung bzw. das Judikat die Notwendigkeit einer weiteren Änderung des Arbeitsgesetzbuchs auslösen, die neue Pflichten für Arbeitgeber einführen wird? Wir werden diese Problematik weiterhin für Sie überwachen.
[1] Richtlinie des Rates 2000/78/EG von 27.November 2000, die einen allgemeinen Rahmen
für die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf festlegt
[2] siehe Art. 21 in Bezug auf den Artikel 26 der EU-Charta der Grundrechte
[3] Artikel 5 der Richtlinie des Rates 2000/78/EG von 27.November 2000, die einen allgemeinen
Rahmen für die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf festlegt
[4] Siehe das EuGH-Urteil vom 18. Januar 2024, J. M. A. R. gegen Ca Na Negreta SA, C‑631/22,
ECLI:EU:C:2024:53, Pkt .54
[5] Gesetz Nr. 262/2006 Slg., Arbeitsgesetzbuch
[6] siehe zum Beispiel das EuGH-Urteil vom 30. 1. 2018, AZ. 21 Cdo 5825/2016 und Gerichtsbeschluss
des Obersten Gerichts vom 11.3.2016, AZ. 21 Cdo 1276/2016