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Jiří Dvořák | May 4, 2023

Europa ist der Klimaneutralität näher gekommen. Unternehmen, aber auch Bürger würden für die neuen Reformen „bezahlen“, sagt Dvořák

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Die Europäische Union hat einen weiteren Schritt getan, der maßgeblich dazu beiträgt, die Ziele der Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 zu erreichen. Im Rahmen der sog. "Fit for 55" Strategie wurden fünf neue Rechtsvorschriften verabschiedet, die dazu beitragen sollen, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 55 % zu reduzieren. „Es besteht kein Zweifel daran, dass die Kosten dieser neuen Reformen nicht nur von den Unternehmen selbst, sondern auch von den Verbrauchern getragen werden.“ Insbesondere die Einführung vom ETS II-System wird zu einem Anstieg der Energie- und Kraftstoffpreise führen und die Bürger
am stärksten treffen“, warnt Jiří Dvořák, ein Partner von Grant Thornton.

Die beschlossenen Maßnahmen betreffen ein breites Spektrum von Bereichen, von Energetik bis zum Verkehr, und werden erhebliche Auswirkungen auf wichtige Wirtschaftssektoren haben. „Die Reform des Emissionshandelsmechanismus ist ohne die Einbeziehung dieses Systems auch für Waren aus Drittstaaten nicht sinnvoll. Deshalb sehe ich insbesondere die Einführung von CO2-Kompensationen an den Grenzen als einen positiven Schritt, der zu einer Angleichung des Wettbewerbsumfelds innerhalb der Europäischen Union führen wird“, erklärt Dvořák. „Dieses System muss jedoch so aufgestellt sein, dass es in der Praxis richtig funktioniert, sonst wird die europäische Industrie erheblich benachteiligt sein“, fügt er hinzu.  

„Was den Sozialfonds für Klimamaßnahmen als neues Instrument der finanziellen Unterstützung betrifft, sehe ich darin einen begrüßenswerten Schritt zugunsten der am stärksten gefährdeten Unternehmen und Haushalte; den Bürgern werden die erhöhten Kosten nicht kompensiert“, schließt Dvořák. Im folgenden Text fassen wir zusammen, welche neuen gesetzlichen Rechtsvorschriften beschlossen wurden und welche Bereiche sie betreffen.

Reform des EU-Emissionshandelssystems (EU ETS)

Das EU-ETS-System berechnet derzeit CO2-Emissionen großer Unternehmen hauptsächlich im Bereich der Strom- und Wärmeerzeugung, des kommerziellen Luftverkehrs und anderer energieintensiver Industriezweige. Durch die Reform dieses Systems soll eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen in den ETS-Sektoren um 62 % (im Vergleich zu den Werten aus dem Jahr 2005) bis zum Jahr 2030 erreicht werden. Gleichzeitig sieht es auch eine schnellere Absenkung der Emissionsobergrenze (eine Reduzierung um etwa 117 Millionen Emissionsscheine während zwei Jahre) und das schrittweise Ende der kostenlosen Treibhausgasemissionsscheine für ausgewählte Sektoren (von Jahr 2026 bis zum Jahr 2034) vor. Das ETS-System soll nun neu auch auf den Seetransportsektor angewendet werden. Gleichzeitig wird für Kraftstoffe, Straßenverkehr, Gebäude und andere Sektoren ein eigenes neues System „ETS II“ geschaffen, das den Preis der Treibhausgasemissionen dieser Sektoren im Jahr 2027 festlegt. Aufgrund der Finanzintensität dieser Veränderungen kommt es auch zu einer Erhöhung der Geldmittel zwecks Dekarbonisierung der im ETS-System enthaltenen Sektoren – insbesondere im Modernisierungs- und Innovationsfonds. Außerdem soll ein Sozialer Klimafonds eingerichtet werden.

Emissionen aus dem Seeverkehr

Eine der Reformen betrifft die Einbeziehung der Schiffverkehrsemissionen ins EU-ETS-System, wobei die meisten großen Schiffe fast sofort in den Geltungsbereich fallen. Vielmehr werden insbesondere Küstenschiffe zunächst in die Verordnung zur Überwachung, Berichterstattung und Überprüfung der CO2-Emissionen des Seeverkehrs und erst danach auch in das EU-ETS- System einbezogen. Für die Emissionsscheine wird ein schrittweiser Ausstieg festgelegt:
40 % für verifizierte Emissionen ab Jahr 2024, 70 % ab 2024 und 100 % ab dem Jahr 2026.

Emissionen aus der Luftfahrt

Im Luftverkehr werden die kostenlosen Emissionsscheine bis zum Jahr 2026 schrittweise auslaufen. Mit dieser Reform sollen Betreiber der Fluggesellschaften dazu motiviert werden, nachhaltige Flugkraftstoffe einzusetzen. Das EU-ETS-System gilt im Zeitraum 2022 - 2027
für innereuropäische Flüge, während außereuropäische Flüge durch Programm CORSIA („Nettoreduktion“) abgedeckt werden. Darüber hinaus wird ein Rahmen für die Überwachung, Berichterstattung und Überprüfung der Auswirkungen von Nicht-CO2-Luftverkehrsstoffen eingeführt.

Sektoren Gebäude, Straßentransport und Kraftstoffe

Für die Bereiche Gebäude, Straßenverkehr, Kraftstoffe und andere Sektoren, in denen sich die Dekarbonisierung als sehr kompliziert erwiesen hat, wurde ein neues separates Emissions-Handelssystem, sog. „ETS II“ eingeführt. Dieses neue System gilt für die Kraftstoffe liefernden Händler sowie für die Sektoren Gebäude, Straßenverkehr und andere Sektoren (ab dem Jahr 2027 bzw. 2028). Dieser Schritt soll den Übergang zu saubereren Kraftstoffen im Verkehr unterstützen und gleichzeitig die aktuelle Situation im Gebäudesektor ausgleichen, wo Emissionen im Preis des Energieverbrauchs nur teilweise enthalten sind.

Mechanismus des Kohlenstoffausgleichs an den Grenzen (CBAM)

Ziel des CBAM-Mechanismus ist es, die Verlagerung von Produktionen mit hohen CO2- Emissionen in andere Teile der Welt, in denen es keine vergleichbaren Emissions-Minderungssysteme gibt, und eine mögliche Begünstigung dieser importierten Güter
zu verhindern. In der ersten Phase wird dieser Mechanismus für Sektoren mit hohen Kohlenstoffemissionen wie Produkte aus Eisen- und Stahl, Zement, Aluminium sowie Düngemittel, Strom, Wasserstoffproduktion und unter bestimmten Bedingungen auch
für indirekte Emissionen gelten. Importeure dieser Waren aus Drittländern müssen ein CBAM- Zertifikat kaufen und die Differenz zwischen dem im Produktionsland gezahlten CO2-Preis und dem Preis der CO2-Emissionsscheine im EU-ETS-System zahlen. Das CBAM-System
wird schrittweise in den Jahren 2026 - 2034 eingeführt werden und wird sich hauptsächlich auf den Import von Produkten aus Industriebereichen auswirken.

Sozialfonds für Klimaschutzmaßnahmen

Dieser Sozialfonds wird ein neues Instrument der finanziellen Unterstützung für Unternehmen und Einzelpersonen darstellen, die am stärksten von der Einführung des neuen Emissionshandelssystems für Gebäude, Straßenverkehr und Kraftstoffe sowie andere Sektoren betroffen sind. Der Fonds wird so funktionieren, dass die Einnahmen aus dem Verkauf von Emissionsscheinen in diesen Sozialfonds eingezahlt werden. Als Hauptempfänger von Mitteln aus dem Sozialfonds nennt die Europäische Kommission gefährdete Haushalte, Kleinstunternehmen und gefährdete Verkehrsnutzer. Der Haushalt rechnet mit bis zu 65 Milliarden EUR.

Autor: Jiří Dvořák, Magdaléna Janigová