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Tomáš Kreisl | November 5, 2024
Seit Beginn der russischen Invasion sind zwei Jahre vergangen und andere Staaten sind sich bewusst, dass eine solche Aggression nicht unbeantwortet bleiben kann. Deshalb üben sie von Anfang an durch Sanktionen Druck auf Russland aus. Während sich die Ukraine allmählich an die Realität des Krieges gewöhnte, musste sich Russland an die vielfältigen Einschränkungen anpassen, die die Sanktionen mit sich bringen. Die Auswirkungen dieser Maßnahmen sind spürbar, weshalb Russland intensiv nach neuen Wegen sucht, um Sanktionen zu umgehen und ihre negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft und das alltägliche Funktionieren des Staates abzumildern.
Russland hat schnell gelernt, Sanktionen mit Hilfe von Drittstaaten zu umgehen. Die russische Regierung hat konkrete Schritte unternommen, um Kaufaktivitäten zu fördern, indem sie eine Verordnung erlassen hat, die die Föderalagentur für Verwaltung des öffentlichen Guts ermächtigt, russische Vermögenswerte zu beschlagnahmen und zu verwalten, die juristischen Personen oder Einzelpersonen aus „feindlichen“ Staaten gehören oder von diesen verwaltet werden. Außerdem erließ sie Dekrete, die die Übertragung von Dividenden auf ausländische Bankkonten von Personen aus diesen „Feindländern“ einschränkten.
Die G7 Gruppe hat aktiv daran gearbeitet, den Zugang Russlands zu Schlüsselmärkten einzuschränken, was sich negativ auf die russische Wirtschaft ausgewirkt und die Fähigkeit Moskaus eingeschränkt hat, Einnahmen für den Kauf westlicher Technologien zu generieren. Im Februar 2023 kündigte die G7 Gruppe die Schaffung eines neuen Koordinierungsmechanismus für die Durchsetzung (Enforcement Coordination Mechanism) an und im September desselben Jahres entstand eine Arbeitsgruppe mit Schwerpunkt auf der Durchsetzung von Exportkontrollen. Diese Arbeitsgruppe bietet den G7-Staaten die Möglichkeit, die aktuelle Entwicklung dieser Maßnahmen zu analysieren und zu diskutieren. In Zusammenarbeit mit der G7 hat die Europäische Union ein methodisches Dokument erstellt, das dem Privatsektor dabei helfen soll, die Risiken einer Umgehung der Sanktionen gegen Russland zu erkennen.
Das Dokument enthält eine Liste wichtiger Posten, die dem Russland zum militärischen Erfolg verhelfen könnten. Diese Liste wurde auf der Grundlage von Daten analysierter russischer Militärausrüstung und auf Schlachtfeldern gefundener Ausrüstung zusammengestellt. Auf der ersten Stufe stehen die integrierten Schaltkreise, die für die präzise Führung von Waffensystemen notwendig sind, gefolgt von Maschinen, elektronischen Komponenten und anderen mechanischen Ersatzteilen. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung umfasst die Liste insgesamt 50 Posten.
Darüber hinaus findet man hier Indikatoren, sog. „Red Flags“, die die Industrie beachten sollte. Zu diesen Indikatoren zählen beispielsweise plötzliche Änderungen der Geschäftstätigkeit nach dem 24. Februar 2022, falsche oder unvollständige Dokumentation, Endnutzergeheimnisse, Unstimmigkeiten bei Transaktionen oder verdächtige Kundeninformationen. Informationen können verdächtig sein, wenn die bestellten Waren keinen Bezug zum Fachgebiet des Kunden haben, der Kunde nicht alle Informationen auf seiner Website veröffentlicht oder er nach dem 24. Februar 2022 alle Links nach Russland von seiner Website entfernt hat, obwohl er zuvor in dieses Land exportiert hat.
Die Anleitung enthält auch Schritte, die bei der Überprüfung der Sicherheit eines Geschäfts zu befolgen sind. Der erste Schritt besteht darin, den Kunden zu verifizieren und seine Daten mit öffentlich zugänglichen Sanktionslisten abzugleichen, um eine mögliche Zusammenarbeit mit einem sanktionierten Unternehmen auszuschließen.
Es besteht auch die Möglichkeit, zusätzliche Dokumentationen oder Vertragsaktualisierungen anzufordern.
Im dritten Schritt geht es um die Beantwortung dreier Schlüsselfragen: Sind die festgestellten „Red Flags“ erklärbar und begründbar? Können Sie die Glaubwürdigkeit (bona fides) der Partei nachweisen? Können Sie die die Berechtigung der Transaktion bestätigen? Bei anhaltenden Zweifeln wird empfohlen, vom Geschäft zurückzutreten und die zuständige Behörde zu informieren.
Der Gerichtshof der Europäischen Union befasste sich kürzlich mit drei Klagen im Zusammenhang mit dem vom Rat der Europäischen Union im Jahr 2022 eingeführten Verbot der Rechtsberatung für die russische Regierung und in Russland ansässige Unternehmen. Dieses Verbot gilt für alle die Rechtsberatung innerhalb der EU leistenden Personen (mit einigen spezifischen Ausnahmsfällen). Sie können ihre Dienstleistungen nicht für die russische Regierung und für in Russland ansässige juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen erbringen. Ziel ist es, den Druck auf Russland zu erhöhen.
In Klagen gegen dieses Verbot wurde damit argumentiert, dass die Maßnahme unzureichend begründet sei und Grundrechte wie den Zugang zu Rechtsberatung, das Recht auf Berufsgeheimnis und die Unabhängigkeit von Anwälten verletze. Weiter wurde eingewendet, dass das Verbot gegen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit sowie die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit verstoße.
Der Gerichtshof wies alle drei Klagen ab, betonte jedoch, dass nach der EU-Charta der Grundrechte jeder das Recht auf wirksamen Rechtsschutz habe, wozu auch die Möglichkeit einer Rechtsberatung und -vertretung durch einen Anwalt im Falle einer laufenden oder potenziellen Streitigkeit gehört. Das allgemeine Verbot der Rechtsberatung für die genannten russischen Unternehmen gilt jedoch nicht für Dienstleistungen im Zusammenhang mit Gerichts-, Verwaltungs- oder Schiedsverfahren. Auch die Rechtsberatung für natürliche Personen bleibt von diesem Verbot unberührt. Andere Argumente wurden vom Gerichtshof unter Berufung auf die EU-Charta der Grundrechte zurückgewiesen.
Der Krieg in der Ukraine geht weiter. Nicht nur die Situation an der Front wird sich weiterentwickeln, sondern auch die Strategie des Angreifers, der nach neuen Wegen sucht, in den westlichen Markt einzudringen und seine Kriegsposition zu erhalten. Nicht nur Russland, sondern auch Weißrussland, das sehr gute freundschaftliche Beziehungen zu Russland unterhält, wird zu einem beobachteten Land. Ziel der G7-Gruppe und der EU ist es, die Liste der Sanktionsposten regelmäßig anhand aktueller Entwicklungen zu aktualisieren und diese kontinuierlich zu beobachten.