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Tomáš Kreisl | October 22, 2024
Der Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden „EuGH“) musste sich kürzlich mit einer Vorfrage des Bundesarbeitsgerichts in Deutschland befassen, die das Verbot der mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und das Verbot der (unterschiedlichen) Behandlung von Arbeitnehmern mit einer Teilbeschäftigung betraf, die ungünstiger als bei vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten ist.
Der Vorfrage war eine Staffelungsklage vorausgegangen. Die Beklagte erbringt ambulante Dialysedienstleistungen im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Die Klage wurde von zwei bei der Beklagten auf Teilzeitbasis beschäftigten Krankenpflegerinnen erhoben, die in der Klage geltend machten, dass ihnen über den Rahmen der Teilzeitarbeit hinaus geleistete Arbeitszeiten vergütet werden sollten, auf die sie ihrer Meinung nach Anspruch hätten, sowie Schadensersatz nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, da bei der Beklagten überwiegend Frauen in Teilzeit arbeiten und es sich somit auch um eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts handelt.
Das entscheidende Gericht lehnte die Klage ab, sodass die Klägerinnen Berufung einlegten. Das Berufungsgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung der entsprechenden Überstundenvergütungen an die Klägerinnen, lehnte den Schadensersatzantrag jedoch ab. Die Klägerinnen legten ein weiteres Rechtsmittel ein, mit dem sie die besagte Entschädigung forderten. Gleichzeitig legte die Beklagte eine Berufung gegen die, vom Gericht auferlegte Verpflichtung ein. Zu diesem Zeitpunkt legte das Bundesarbeitsgericht dem EuGH eine Vorfrage vor.
Das vorlegende Gericht fragte den EuGH, ob ein nationaler Tarifvertrag, der vorsieht, dass Überstundenzuschläge nur für Arbeitsstunden gezahlt werden, die über die normale Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten hinausgehen, eine unterschiedliche Behandlung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten begründet. Sollte der EuGH zu dem Schluss kommen, dass es sich um eine mittelbare Diskriminierung handelt, muss die Frage geklärt werden, wie die Auswirkungen dieser Maßnahme auf Frauen ermittelt werden können. Konkret wird entschieden, ob der Anteil von Frauen und Männern nur in der Gruppe der Teilzeitbeschäftigten überwacht werden soll oder ob auch Vollzeitbeschäftigte berücksichtigt werden sollen. Das vorlegende Gericht prüft auch, ob eine unterschiedliche Behandlung in Bezug auf die Überstundenvergütung durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt werden kann, beispielsweise durch die Bemühung, Arbeitgeber davon abzuhalten, Arbeitnehmer mit Überstunden zu überlasten, und gleichzeitig eine schlechtere Behandlung von Vollzeitbeschäftigten zu verhindern.
Der EuGH entschied, dass die nationale Gesetzgebung/Rechtsregelung für Teilzeitbeschäftigte „ungünstiger“ sei, wenn die Überstundenvergütung nur für Stunden gezahlt werde, die über die normale Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten hinaus geleistet würden.
Gleichzeitig stellt eine nationale gesetzliche Regelung eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar, wenn nachgewiesen wird, dass durch diese Regelung ein deutlich höherer Prozentsatz von Frauen im Vergleich zu Männern benachteiligt wird. Eine Berücksichtigung des Anteils von Frauen und Männern in der Gruppe der Vollzeitbeschäftigten, die von dieser gesetzlichen Regelung nicht berührt werden, ist jedoch nicht erforderlich.
Die ungünstigere Behandlung von Teilzeitbeschäftigten und die genannte Diskriminierung lassen sich nicht mit ev. verfolgtem Ziel begründen, den Arbeitgeber davon abzuhalten, Arbeitnehmern die über die in einem Arbeitsvertrag individuell vereinbarten Arbeitszeiten hinausgehenden Überstunden anzuordnen. Auch der Versuch, zu verhindern, dass Vollzeitbeschäftigte weniger günstig als Teilzeitbeschäftigte behandelt werden, hält der EuGH nicht für ein vertretbares Ziel.
Nach Ansicht des EuGH führt das Ziel, den Arbeitgeber davon abzuhalten, Überstunden anzuordnen, eher zum gegenteiligen Effekt, wenn eine einheitliche Grenze festgelegt wird, ab der Überstunden sowohl für Teilzeit- als auch für Vollzeitbeschäftigte angerechnet werden. Auch das zweite Ziel, nämlich die Verhinderung einer Benachteiligung von Vollzeitbeschäftigten, ist falsch. Wenn Teilzeitbeschäftigte ab der ersten Arbeitsstunde über ihre individuell vereinbarte Arbeitszeit hinaus Anspruch auf Überstundenvergütung hätten, gäbe es einen größeren Ausgleich für Ungerechtigkeiten und eine gerechtere Behandlung.
Abschließend stellt der EuGH fest, dass die oben beschriebenen Ziele kein sachlicher Grund sind, der eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnte. Der Begriff „objektive/sachliche Gründe“ gemäß Bestimmung 4 Pkt. 1 der Rahmenvereinbarung erfordert, dass die unterschiedliche Behandlung durch konkrete und eindeutige Tatsachen im Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen im gegebenen Kontext gerechtfertigt ist. Diese Gründe müssen objektiv und transparent sein, um sicherzustellen, dass der Unterschied tatsächlich einem realen Bedarf entspricht, ein legitimes Ziel verfolgt und notwendig ist.
Dieses Urteil könnte auch Auswirkungen auf die Tschechische Republik haben, da das tschechische Recht vorsieht, dass Überstunden für Mitarbeiter mit kürzeren Arbeitszeiten nicht angeordnet werden können und nur Arbeiten, die über die festgelegte wöchentliche Arbeitszeit hinaus geleistet werden, als Überstunden gelten. Aus Sicht des EuGH könnte eine solche Regelung auch für Arbeitnehmer mit kürzerer Arbeitszeit als „ungünstiger“ angesehen werden, wenn sie sich in einer vergleichbaren Situation wie Vollzeitbeschäftigte befinden.