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Martina Šumavská | February 27, 2025

GT-Urteil: „Musk’s Letter“ bzw. wenn die Liberalisierung die gesetzliche Grenze überspringt

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Elon Musk begann seine politische Karriere mit einem neuartigen Ansatz. In den letzten Tagen schockierte er (unter anderem) mit der Anforderung, dass Bundesangestellte wöchentlich einen Bericht über ihre Arbeit vorlegen müssten. Das Unterlassen einer Meldung würde als Kündigungsstellung betrachtet werden. Dieser Vorschlag, der eher wie eine dystopische Vision als wie eine praktische Reform klingt, wirft grundlegende Fragen über die Grenzen der Arbeitsmarktliberalisierung in demokratischen Gesellschaften auf.

In Ländern mit funktionierendem Rechtsschutz wie etwa der Tschechischen Republik sind Arbeitsvertrag und Arbeitsplatzsicherheit zu Säulen der sozialen Stabilität geworden. Jeder Versuch, sie zu liberalisieren, ruft starke Emotionen hervor. Ein Beispiel hierfür ist die derzeit hitzig geführte Debatte über die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung ohne Angabe von Gründen. Ein großer Teil der tschechischen Gesellschaft betrachtet einen solchen Wandel bereits als Bedrohung für ihre Position und nimmt ihn daher negativ wahr.

Es lässt sich nicht leugnen, dass Arbeitsmarktflexibilität Innovationen fördert und die Effizienz steigert. Wenn man jedoch die ökonomische Logik von den rechtlichen Zwängen trennt, besteht die Gefahr, dass die Liberalisierung zu ihrem eigenen Gegner wird. Selbst in den Ländern mit den liberalsten arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen gibt es kein System, in dem Arbeitnehmer unter Androhung einer sofortigen Kündigung ständig über ihre Arbeitsleistung Bericht erstatten müssen.

Die Debatte um eine Liberalisierung des Arbeitsmarktes sollte daher nicht allein unter Effizienzgesichtspunkten geführt werden, sondern vor allem im Hinblick auf die Werte, auf denen die demokratische Ordnung beruht. Der „Musk Letter“ ist daher keine Musterreform, sondern eine Kuriosität, die uns daran erinnert, dass einer Modernisierung des Arbeitsmarktes immer auch rechtliche und ethische Zwänge gesetzt werden müssen. Aber unterziehen wir diese Kuriosität zumindest einer kurzen fachlichen Betrachtung und versuchen wir, sie in den tschechischen Rechtsrahmen einzuordnen.

Es besteht kein Zweifel daran, dass die Aufforderung des Arbeitgebers, Berichte über die vom Arbeitnehmer geleistete Arbeit zu übermitteln, völlig legitim ist und die Arbeitnehmer verpflichtet sind, einer solchen Anforderung nachzukommen. Diese ergibt sich vor allem aus der gesetzlichen Verpflichtung der Arbeitnehmer, den Weisungen ihrer Vorgesetzten Folge zu leisten. Solche Maßnahmen ermöglichen es den Arbeitgebern unter anderem die Überwachung der Erfüllung anderer grundlegender Arbeitnehmerpflichten, wie z.B. der Nutzung der Arbeitszeit zur Erfüllung zugewiesener Aufgaben, der rechtzeitigen Erledigung von Arbeitsaufgaben und des Handelns im Einklang mit den berechtigten Interessen des Arbeitgebers.

Nicht immer ist die Frage offensichtlich, wer befugt ist, eine solche Anforderung im Namen des Arbeitgebers zu stellen. Dies ist typischerweise bei multinationalen Unternehmen der Fall, die tendenziell über eine einheitliche Unternehmensführung und oft auch eine vernetzte Stellenstruktur verfügen. Es kommt nicht selten vor, dass einzelne Mitarbeiter eines tschechischen Unternehmens organisatorisch den Managern ausländischer Konzerngesellschaften unterstellt sind und diesen Bericht erstatten, oder dass eine tschechische Gesellschaft der gemeinsamen Personalabteilung einer ausländischen Gruppe untersteht. In der Praxis bestehen Zweifel darüber, inwieweit die Handlungen von Personen eines Konzerns, die in keiner direkten Rechtsbeziehung zu einem tschechischen Unternehmen stehen, für tschechische Arbeitnehmer bindend sind. Für solche Fälle wäre es ideal, wenn dies beispielsweise durch eine interne Regelung des Arbeitgebers und eine schriftliche Ermächtigung bzw. Vollmacht einer Person aus dem Konzern seitens der tschechischen Gesellschaft entsprechend geregelt wäre.

Nur wenn die Meldepflicht bzw. Reporting-Anforderung von einer hierzu befugten Person im Auftrag des Arbeitgebers erhoben wird, kann bei Nichtbeachtung dieser Pflicht und den sich daraus ergebenden Folgen, bis hin zur möglichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers, eine Verletzung der Pflichten des Arbeitnehmers gewertet werden. Dies alles unter streng definierten Bedingungen im tschechischen Rechtsumfeld, die meilenweit von oben genannter Musk´s Anforderung entfernt sind.

Wir wagen nicht zu behaupten, dass die Nichterfüllung der Meldepflicht – selbst, wenn sie aus völlig legitimen Gründen und von einer dazu befugten Person verlangt wird – als ausreichend legitimer Kündigungsgrund angesehen werden kann, ohne dass der Arbeitnehmer zuvor auf die Möglichkeit einer Kündigung hingewiesen oder zur Wiedergutmachung aufgefordert wird.