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Marie Mandíková | May 21, 2024
Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine verzögerte oder anhaltende Reaktion auf eine enorme Belastung oder Bedrohung.[1] In Hinblick auf die Ursachen und Erscheinungsformen einer PTBS, die nicht in erster Linie körperlicher Natur sind, kann man darüber spekulieren, ob im Zusammenhang mit dieser Diagnose von einer Verletzung gesprochen werden kann. In einer aktuellen Entscheidung[2] kam das Oberste Gericht zu dem Schluss: Ja – die PTBS-Störung kann unter bestimmten Voraussetzungen sogar als arbeitsbedingte Verletzung eingestuft werden.
In der oben genannten Entscheidung befasste sich das Oberste Gericht mit einem Fall,
in dem es beim Bau des Blanka-Tunnels zu einem Erdrutsch kam, wobei ein am Bau arbeitender Baggerer verschüttet wurde. Zeuge dieses tragischen Ereignisses war sein Kollege, der Tunnelbauer, der zu diesem Zeitpunkt im LKW wartete und gerade dabei war, in die Erdgrube einzufahren, um das ausgehobene Erdmaterial zu entnehmen. Obwohl dieser Mitarbeiter den Erdrutsch selbst nicht sah (er beobachtete nur den Staub, der sich anschließend in der Luft befand), bekam er infolge des tödlichen Vorfalls gesundheitliche Probleme, die endlich zu seiner Arbeitsunfähigkeit führten. Es entwickelte bei ihm eine posttraumatische Belastungsstörung, für die er schließlich als Behinderter dritten Grades anerkannt wurde. Der Arbeitnehmer verlangte daraufhin gerichtlich vom Arbeitgeber die Zahlung einer Entschädigung im Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall, was dieser jedoch ablehnte – außerdem wandte die Versicherungsgesellschaft im Verfahren ein, dass in diesem Fall die Merkmale eines Arbeitsunfalls nicht vorlägen.
Das Oberste Gericht erinnerte daran, dass drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen, damit ein Arbeitnehmer Anspruch auf Schadensersatz für durch einen Arbeitsunfall verursachte Schäden hat:
Dabei ist zu beachten, dass die Haftungspflicht für Schäden bei einem Arbeitsunfall objektiver Natur ist – das Verschulden des Arbeitgebers oder die Tatsache, dass er eine gesetzliche Pflicht verletzt hat, ist daher nicht relevant.
Nach dem Arbeitsgesetzbuch ist ein Arbeitsunfall eine Gesundheitsschädigung oder der Tod eines Arbeitnehmers, die bei der Ausübung seiner Arbeitsaufgaben oder in direktem Zusammenhang damit, unabhängig von seinem Willen, aufgrund kurzfristiger, plötzlicher
und gewalttätiger Einwirkung äußerer Einflüsse/Ereignisse[3], eingetreten sind.
Nach gängiger Entscheidungspraxis kann es sich auch dann um ein Unfallereignis handeln, wenn die Einwirkung äußerer Kräfte scheinbar fehlt. Dabei handelt es sich beispielsweise um Fälle von plötzlichen Gesundheitsschäden, die bei einer plötzlichen Kraftanstrengung oder bei einer außergewöhnlichen Anstrengung eingetreten sind, wenn die Arbeitsleistung über die Grenzen der üblicherweise verrichteten Arbeit hinausgeht oder die Arbeit unter widrigen Umständen ausgeführt wird. Darüber hinaus muss der Gesundheitsschaden selbst nicht nur körperlicher Natur sein, es kann sich auch um eine psychische Gesundheitsschädigung handeln.
Das Oberste Gericht ergänzt die gängige Auslegung und geht noch weiter: Demnach können Schäden an der psychischen Gesundheit eines Arbeitnehmers durch traumatische Ereignisse am Arbeitsplatz entstehen, zu denen auch unangemessene (äußerst) scharfe Kritik eines leitenden Arbeitnehmers oder z.B. aggressives Verhalten eines Kollegen gehören kann.
Der Arbeitnehmer muss von dem traumatischen Ereignis nicht unbedingt direkt betroffen sein, es reicht aus, wenn er Zeuge davon ist (vorausgesetzt, dass das Ereignis für ihn ein äußerst intensives Stresserlebnis verursacht hat, das in der Folge seine psychische Gesundheit geschädigt hat).
Da der Arbeitnehmer im vorliegenden Fall nur sekundäre Erscheinungen des Vorfalls in Form von aufgewirbeltem Staub wahrnahm, schloss das Oberste Gericht den Streit mit der Begründung ab, dass der Arbeitnehmer kein unmittelbarer Zeuge des Vorfalls gewesen sei und ihm daher kein Anspruch auf die geforderte Entschädigung zustehe. Durch die betreffende Entscheidung wurde jedoch die derzeitige Auslegung der Definition eines Arbeitsunfalls verändert, was nun die Tür für andere mögliche Vorschläge öffnet. Für Arbeitgeber besteht daher die Gefahr, dass sie bei schweren oder sogar tödlichen Arbeitsunfällen nicht nur für die Ansprüche der verletzten Arbeitnehmer oder ihrer Hinterbliebenen, sondern auch für die Ansprüche anderer Arbeitnehmer, die das Ereignis als Zeugen miterlebt haben, einstehen müssen.
[1] gesundheit.gv.at. NZIP.CZ. Posttraumatická stresová porucha: (Posttraumatische Belastungsstörung: Diagnose [online]. [cit. 2024-03-28]. Verfügbar: https://www.nzip.cz/clanek/709-posttraumaticka-stresova-porucha-diagnoza
[2] Das Urteil des Obersten Gerichts vom 26. Januar 2024, AZ. 21 Cdo 3408/2022
[3] siehe § 271k Gesetz Nr. 262/2006 Slg., cz-Arbeitsgesetzbuch