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Jan Nešpor | December 2, 2024

Komfort ist nicht gleich Komfort

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Stellen Sie sich die Situation vor, Sie leben glücklich in Ihrem Einfamilienhaus auf dem Land, Sie machen sich jeden Morgen einen Kaffee und gehen in den Garten, um den Blick auf die unberührte Landschaft zu genießen, und alles, was Sie hören, sind die Geräusche der Vögel und das sanfte Rauschen des nahen Waldes. Das ist eine Idylle, nicht wahr? Sie werden wahrscheinlich alle mit Ja antworten. Aber bietet Ihnen das tschechische Recht ausreichende Garantien für eine ungestörte Idylle, oder genauer gesagt, haben Sie ein Recht auf ungestörten "Wohnkomfort"?

Die Antwort könnte Sie überraschen. Das geltende Baugesetz verankert ein Widerspruchsinstitut in Verfahren über die Genehmigung eines Vorhabens, wie z.B. in Verfahren über eine Baugenehmigung oder Bauänderungen[1]. Zweck dieses Instituts ist es, den Verfahrensbeteiligten in Einzelverfahren, bei denen es sich in der Regel um Eigentümer benachbarter Grundstücke[2] handelt, das Recht zu gewährleisten, in dieses Verfahren einzugreifen und auf mögliche Eingriffe in ihre Rechte und Pflichten durch das entstehende Bauwerk hinzuweisen. Die Einwände können sowohl auf die Nichteinhaltung der bautechnischen Anforderungen des Gebäudes als auch auf die Folgen abzielen, die das Bauwerk nach sich ziehen kann. Meist handelt es sich dabei um sogenannte Immissionen, wie Lärm, Schadstoffe/ Verschmutzung, Vibrationen/Erschütterungen oder Verschattungen.

Es sind die oben genannten Immissionen, die die einzelnen Faktoren bilden, die dazu beitragen können, dass Wohnen gesundheitsgefährdend oder für verschiedene Nutzergruppen ungeeignet ist. Mit anderen Worten, wie das Oberste Verwaltungsgericht festgestellt hat, können sich diese Faktoren zusammen auf die Störung des Wohnkomforts/-befindens des Wohnens[3] auswirken. Das Oberste Verwaltungsgericht definiert den Wohnkomfort als "die Summe der Faktoren und Einflüsse, die dazu beitragen, dass (...) um eine geeignete Atmosphäre des ruhigen Wohnens[4] zu schaffen". Der Inhalt des Begriffs "Wohnkomfort" selbst wird durch die Qualität einzelner Komponenten wie Luftreinhaltung, Geräuschpegel, Staubgehalt, Begrünungsmenge usw. gewährleistet.
Mit anderen Worten, wenn sich die Idylle mit Kaffee für Sie zu einer täglichen Routine ändert, bei der Sie mit dem Aufsetzen von Ohrstöpseln, einer Staubmaske, dem Anziehen von Turnschuhen und dem Gang zur Arbeit durch einen Hindernisparcours zwischen Haufen von Kies, Schutt und anderen Baumaterialien - anstatt durch eine schöne Gasse – beginnen, dann kann man völlig zu Recht einwenden, dass Ihr Wohnkomfort verschwunden ist.

Es ist wohl kein Geheimnis, dass alles seine Grenzen hat. Im Allgemeinen endet die Freiheit eines jeden dort, wo die Freiheit eines anderen beginnt.[5] Wenn Ihr zukünftiger Nachbar bauen möchte und dies in Übereinstimmung mit dem Gesetz tut, kannst man ihm das nicht verbieten, nur weil es anderen für eine Weile Unbehagen bereiten wird. Es ist aber immer eine Frage der Intensität, d.h. inwiefern Ihr "Komfort" gestört ist und ob es einen legitimen Grund dafür gibt, z.B. von Ihrem potenziellen Nachbarn – einem Komfortstörer.

Die Rechtsprechung hat zu diesen Fragen einen durchaus logischen Standpunkt eingenommen, d.h. dass es angemessen ist, einzelne Komforteingriffe immer unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten oder Gepflogenheiten[6] zu beurteilen. Bautätigkeiten im Zentrum von Prag werden anders beurteilt als auf dem Land.

Das bedeutet jedoch nicht, dass es keine Chance gibt, sich gegen den Störer zu verteidigen. Wenn Sie sich in einer ähnlichen Situation befinden, ist es immer eine gute Idee, genauer zu identifizieren, was die Störfaktoren sind oder was Sie als außerhalb der lokalen Gepflogenheit liegend ansehen. In einem solchen Fall, so das Oberste Verwaltungsgericht, müsse sich das Bauamt diese Einwendungen anhören und entweder Auflagen setzen, die Störfaktoren eliminieren, oder das Bauen gar nicht genehmigen[7]. Und im Falle eines Scheiterns des Baugenehmigungsverfahrens besteht immer noch das Recht, Ersatz des immateriellen Schadens zu verlangen, der auch in einer Minderung des Wohnkomforts bestehen kann

[1] Bestimmung § 190 des Gesetzes Nr. 283/2021 Sb., Baugesetz

[2] z.B. Beteiligte lt. Bestimmung § 182 Buchst. d) des Gesetzes Nr. 283/2021 Slg., Baugesetz

[3] Urteil des Obersten Verwaltungsgesetzes vom 2. 2. 2006, AZ. 2 As 44/2005

[4] ibidem

[5] Mill, John Stuart (1956). On Liberty. Cambridge University Press.

[6] Urteil des Obersten Verwaltungsgesetzes vom 17. 7. 2016, AZ. 9 As 68/2016

[7] Urteil des Obersten Verwaltungsgesetzes vom 30. 4. 2020, AZ. 6 As 171/2019