Petr Němec | 22.11.2024
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Lenka Kočerová | May 21, 2024
Das Oberste Verwaltungsgericht (im Folgenden „NSS“ genannt) entschied mit Urteil AZ. 1 Afs 10/2024-33 vom 9. April 2024 über die Frage der berechtigten Erwartung des Steuerpflichtigen, wenn die Verwaltungspraxis aufgrund ihres Gesetz-/Rechtskonflikts geändert wird.
Im vorliegenden Fall handelte es sich um den Ablauf der Präklusionsfrist für die Steuerfestsetzung in der Situation, als die Gesellschaft im Januar und März 2020 zusätzliche Steuererklärungen zur Körperschaftsteuer für die Steuerperioden 2008, 2009 und 2010 abgegeben und einen geringeren steuerlichen Verlust ausgewiesen bzw. den Abzug des steuerlichen Verlusts für 2007 geltend gemacht hat. Auch in den Jahren 2011 bis 2014 wies die Gesellschaft einen steuerlichen Verlust aus. Nach damaliger Verwaltungspraxis basierte dies auf der allgemein gebräuchlichen Methodik der Generalfinanzdirektion (nachfolgend „GFŘ“ genannt) hinsichtlich der Verlängerung der Präklusionsfrist gemäß § 38r des Einkommensteuergesetzes (nachfolgend „EStG“) bei der sog. Verlustverkettung[1], wobei das Unternehmen davon ausging, dass die Frist zur Steuerfestsetzung für die Steuerperiode 2008 bis 2010 von der Frist zur Steuerfestsetzung für die Steuerperiode 2014 abhängt und am 1. Juli 2023 hätte ablaufen müssen.
Im Januar 2021 stellte die Steuerverwaltung das Verfahren zu Nachveranlagungen ein. Der Grund lag darin, dass sie nach Ablauf der Steuerfestsetzungsfrist eingereicht wurden. Gleichzeitig stützte sich die Steuerverwaltung auf das neue und bahnbrechende Urteil des NSS-Gerichts im Fall Heidrive vom 13. 5. 2020[2], in dem das NSS-Gericht die derzeit etablierte Verwaltungspraxis der sog. Verlustverkettung ausdrücklich als rechtswidrig bezeichnete. Dieses bahnbrechende Urteil des NSS-Gerichts haben wir in unserem Artikel analysiert. Es folgten weitere NSS-Urteile, auf deren Grundlage die Finanzverwaltung im November 2020 eine Information zur neuen Verwaltungspraxis[3] herausgab, beachtend die maximale Zehnjahresfrist für die Steuerfestsetzung auch bei steuerlichen Verlusten.
Das Unternehmen wehrte sich gegen die Entscheidung, das Verfahren einzustellen, mit einer Klage beim Stadtgericht in Prag und hatte Erfolg. Nach der Schlussfolgerung des Gerichts hätte die Steuerverwaltung das Verfahren zu den zusätzlichen Steuererklärungen des Unternehmens gemäß der Verwaltungspraxis der Finanzverwaltungsbehörden in der Zeit vor dem Erlass des NSS-Urteils („Heidrive“), abschließen müssen.
Das NSS-Gericht bestätigte daraufhin die Schlussfolgerung des Stadtgerichts in Prag.
Obwohl das rechtswidrige Verfahren der Verwaltungsbehörden nach der Rechtsprechung des Kassations-gerichts grundsätzlich keine berechtigte Erwartung begründet, muss geprüft werden, ob diese Verwaltungspraxis (auch wenn sie sich später als widersprüchlich erwies) beim Kläger eine schutzwürdige Erwartung weckte.
Im vorliegenden Fall handelte es sich um die Methodik der GFŘ-Direktion aus dem Jahr 2016, denn:
„Im vorliegenden Fall lag eine etablierte Verwaltungspraxis vor, die dem Kläger bekannt war und der auf die Vorgehensweise der Finanzbehörden im Einklang mit dieser Praxis (d.h. im ursächlichen Zusammenhang mit der Praxis) vertraute und seine Einreichungen - Steuernachzahlungen für den Steuerzeitraum 2008 bis 2010 - vorgenommen hat. Es ist dabei maßgebend, dass er dies einige Monate vor der Verkündung des Urteils des Obersten Verwaltungsgerichts im Heidrive-Fall tat, also zu einem Zeitpunkt, als er nicht damit rechnen konnte, dass diese Verwaltungspraxis verboten würde. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass der Widerspruch der bisherigen Verwaltungspraxis der Finanzverwaltung zum Gesetz nicht so offensichtlich war; Es handelte sich um eine fortdauernde Rechtsauslegung der Steuerbehörden, die erst später vom Obersten Verwaltungsgericht als falsch befunden wurde.“
Das NSS-Gericht kam zu dem Schluss, dass die bisherige Verwaltungspraxis eine berechtigte Erwartung des Klägers begründete und dass die Steuerverwaltung, ungeachtet derer Rechtswidrigkeit, nach dieser Verwaltungspraxis hätte vorgehen müssen, da der Grundsatz des berechtigten Vertrauens in diesem Fall den Grundsatz der Gesetzlichkeit vorherrschte.
[1] Methodische Anweisung der Generalfinanzdirektion AZ. 19513/16/7100‑10111‑010509 vom 8. 6. 2016.
[2] Urteil des NSS-Gerichts AZ. 8 Afs 58/2019-48 vom 13. 5. 2020 (Sammlung von Entscheidungen 7/2020 Nr. 4023/2020 Slg. des NSS-Gerichts) betr. Heidrive, s.r.o., hob das angefochtene Urteil des Bezirksgerichts Pilsen mit der Begründung auf, dass die von ihm vorgenommene Auslegung von Best. § 38r Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes, die die sog. Verkettung von Steuerverlusten ermöglichte, den Sinn sowie den Wortlaut des Gesetzes missachtet und unangemessen in die Rechtssicherheit der Steuersubjekte eingegriffen hat.
[3] „INFORMATION zur Bestimmung der Frist für die Steuerfestsetzung (Präklusionsfrist) bei der Meldung/Ausweisung und Geltendmachung des Steuerausfalls sowie zur Beurteilung der Dauer dieser Frist und deren Änderungen aufgrund der Urteile des Oberverwaltungsgerichts“ AZ. 66358/20/7100-40110-207203 vom 25. 11. 2020.