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Veronika Odrobinová | Jan Nešpor | February 7, 2023

Recht / Gesetz über Sammelklagen und Änderung zusammenhängender Vorschriften

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Ende des Jahres 2022 legte das Justizministerium einem interministeriellen Verfahren einen Gesetzentwurf über kollektives Verfahren (im Folgenden „das Gesetz“), zusammen mit einer Änderung der damit verbundenen Vorschriften vor. Dies ist bereits der zweite Versuch, die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates (EU) 2020/1828 vom 25. November 2020, über Verbandsklagen zum Schutz von Kollektivinteressen der Verbraucher und über Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG (im Folgenden „die Richtlinie“) umzusetzen, was jedoch während der letzten Wahlperiode des Abgeordnetenhauses in erster Lesung geparkt geblieben ist.

Ziel des Gesetzesentwurfs ist es natürlich, der Verpflichtung der Tschechischen Republik nachzukommen, sekundäre europäische Vorschriften zu übernehmen. Das allgemeine Ziel, sowohl der Richtlinie als auch des Gesetzes, besteht jedoch darin, das Problem der sog. rationalen Verbraucherapathie zu lösen oder zumindest zu minimieren. Es handelt sich um das logische Verhalten geschädigter Verbraucher, indem sie darauf verzichten, ihre Ansprüche gerichtlich geltend zu machen, sei es aus zeitlichen, wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen.[1] Die derzeitige Regelung erschwert nämlich ziemlich Fälle betr. "Vielheit" von Klageansprüchen, d.h. Situationen, in denen eine Gruppe von Geschädigten ähnliche Ansprüche hat. Konkrete Probleme liegen dann auch auf der Seite der Gerichte, die durch steigende Ansprüche infolge deren Quantität belastet werden, was die Effizienz des gesamten Verfahrens und damit das Vertrauen in die Justiz mindert.

Anstatt dass jede Person ihre Klage einzeln einreicht oder sich vor Gericht von derselben Person vertreten lässt, führt die europäische Gesetzgebung das erwähnte Institut des kollektiven Verfahrens ein. Dabei handelt es sich um ein neues Instrument, bzw. eine Möglichkeit, Klagen in Zivilgerichtsverfahren einzureichen und darüber zu entscheiden. Dieses Verfahren hat das Potenzial, Gerichtsverfahren zu beschleunigen und die Entscheidungspraxis zu vereinheitlichen sowie potenziellen Klägern die Durchsetzung ihrer Ansprüche zu erleichtern.[2]

Das Gesetz in seiner aktuellen Fassung betrifft nur Verfahren über Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass sich dieses Spektrum von Fällen in Zukunft erweitern kann.[3] Mit einer Sammelklage (d.h. einer Klage im Kollektivverfahren) kann nach dem Gesetz entweder die Erfüllung einer Pflicht des Unternehmers (z.B. Schadensersatz) oder die Feststellung fordern, ob ein bestimmtes Recht oder Rechtsverhältnis besteht oder nicht (z.B. ob ein Schadensersatzanspruch besteht). Für Klagen, die die Unterlassung bestimmter Handlungen des Unternehmers überwachen würden (z.B. Entfernung irreführender Werbung aus dem öffentlichen Raum) ist eine ähnliche, wenn auch vereinfachte Regelung im Konsumentenschutzgesetz enthalten.

Eine Schlüsselrolle im gesamten Verfahren kommt dem Kläger zu, der nicht der Geschädigte im eigentlichen Sinne, sondern eher deren Vertreter ist. Der Kläger in Kollektivverfahren kann nur eine gemeinnützige Einrichtung sein, deren Hauptziel der Schutz der Verbraucherrechte ist und die vom Ministerium für Industrie und Handel oder einer ähnlichen Stelle in einem anderen Mitgliedstaat akkreditiert ist.[4]  Seine Aufgabe ist es, alle betroffenen Verbraucher, die ihren Willen bekundet und sich dem Verfahren angeschlossen haben, im Verfahren ordnungsgemäß und wirksam zu vertreten (sog. opt-in-Variante), die das Gesetz "Mitglieder der Gruppe" nennt. Der aktuelle Gesetzesentwurf hebt die bisherige Fassung auf, die Fälle zuließ, in denen alle betroffenen Verbraucher im Verfahren „einbezogen“ wurden und es ihnen anschließend freigestellt war, ob sie im Verfahren bleiben oder sich dagegen entscheiden bzw. davon abmelden (sog. opt-out-Variante).

Während in einem ordentlichen Zivilverfahren dem Geschädigten als Beteiligten eine ganze Reihe von Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung steht, im Kollektivverfahren stehen diese Rechte nur dem Kläger zu. Die Mitglieder der Gruppe werden jedoch nicht allein gelassen und dazu verurteilt, das Geschehen im Verfahren nur aus der Ferne zu verfolgen. Diese Mitglieder haben eine bestimmte Form von „Kontroll-“ Befugnis über den Kläger, bzw. das Recht, seinen Handlungen bei der Beilegung, Änderung oder Rücknahme der Klage zu widersprechen, und sie haben auch das Recht, die Akte einzusehen und sich im Verfahren zu äußern. Allerdings „verfügen“ sie als solche nicht über das Verfahren, d.h. sie können z.B. die Klage nicht zurücknehmen usw., das kann nur der Kläger, was das Verfahren zwar erheblich beschleunigt, aber die Rechte der Geschädigten im Verfahren erheblich einschränkt.

Ein im Rahmen eines Kollektivverfahrens behandelndes Musterbeispiel kann eine Situation sein, in der ein Unternehmer, z.B. durch eine irreführende Werbung, eine breite Gruppe von Verbrauchern, die auf diese Werbung „gestoßen“ sind, durch sein Handeln schädigt, wodurch ihnen ein Schaden entstanden ist . Anstatt dass jeder einzelne Verbraucher den Unternehmer einzeln verklagt, kann die genannte gemeinnützige Organisation[5], dieses Verfahren einleiten, in dem sie Schadensersatz für alle Verbraucher fordert, die sich zu einer Sammelklage anmelden.

Auch wenn es auf den ersten Blick den Anschein haben mag, dass Sammelklagen/Kollektivverfahren ein Instrument für Verbraucher sind, das zu Lasten von Unternehmern missbraucht wird, ist das Gegenteil der Fall. Das Gesetz schafft spezifische Mechanismen, die Mobbing-Klagen verhindern und vorbeugen, die (in irgendeiner Weise) darauf abzielen, dem betreffenden Unternehmer zu schaden. Als zweite Schutzmaßnahme sind Mechanismen, die verhindern, dass der Unternehmer in ungerechtfertigten Fällen zur Veröffentlichung von Informationen verpflichtet wird, die er aus berechtigten Gründen nicht veröffentlichen möchte.

Schlussfolgerung

Der Gesetzentwurf regelt ein neues Schutzinstrument im Privatrecht, konzentriert sich aber derzeit nur auf den Verbraucherschutz in B2C-Beziehungen. Der Zweck bzw. Sinn des Gesetzes besteht in erster Linie darin, die Position von Verbrauchern in bestimmten Streitigkeiten zu stärken, gleichzeitig aber ihren Schutz und den Schutz der Privatsphäre und des guten Rufs potenziell beklagter Unternehmer in Einklang zu bringen Der Entwurf selbst steht jedoch erst am Anfang. Seine konkrete Fassung kann weitere, mehr oder weniger grundlegende Änderungen sowohl innerhalb des ressortübergreifenden Verfahrens als auch vor allem innerhalb der Verhandlung im Abgeordnetenhaus und im Senat (falls er zu ihm gelangt) andeuten.

[1] Erläuternder Bericht (Gründebericht) zum Gesetz, S. 2-5

[2] Ibid.

[3] Ibid., s. 14

[4] Voraussetzung für einen Kläger im Kollektivverfahren, neben seiner Stellung als Bevollmächtigter, ist die Pflicht,
   durch einen Rechtsanwalt vertreten zu sein

[5] Im tschechischen Umfeld, z.B. dTest o.p.s. oder Sdružení českých spotřebitelů, z.ú. (Verband der tschechischen Verbraucher)

Autor: Veronika Odrobinová, Jan Nešpor