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Lenka Kočerová | | March 21, 2023

Rechtsprechung: Befugnis des Steuerverwalters, den Anspruch auf Vorsteuerabzug wegen Betrugsbeteiligung abzulehnen

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Das Oberste Verwaltungsgericht (NSS) hat in seinem Urteil AZ. 7 Afs 45/2021 - 57 vom 27. Februar 2023 zu Gunsten unseres Mandanten entschieden, den wir in einem Umsatzsteuerveranlagungs-verfahren vertreten haben, wenn der Steuerverwalter den Anspruch auf Steuerabzug für erhaltene steuerpflichtige Leistungen (Luftfahrt-Mineralöl JET A-1) verweigerte, aufgrund der Behauptung des Steuerverwalters, dass diese Leistungen von einem Mehrwertsteuerbetrug betroffen wurden, von dem unser Mandant wusste oder hätte wissen müssen.

Der Streit betraf die Frage, ob die Steuerbehörden insgesamt die Beweislast für das Vorliegen von Umständen - die auf einen Mehrwertsteuerbetrug beim Weiterverkauf von Flugmineralöl in einer vom Steuerverwalter identifizierten Kette hindeuten würden - tragen konnten (oder nicht).

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des NSS-Gerichts bezeichnet der Begriff „Umsatzsteuerbetrug“ Situationen, in denen einer der Beteiligten die erhobene Steuer nicht an die Staatskasse abführt und der andere sie abzieht, zur Erlangung eines Vorteils, was dem Zweck der Sechsten Richtlinie widerspricht, da die durchgeführten Geschäfte nicht den normalen Geschäftsbedingungen entsprechen. Umsatzsteuerbetrug ist daher nicht irgendwelche Nichtabfuhr/ Nichtzahlung von Steuern, sondern nur eine solche, deren Zweck darin besteht, einen unberechtigten Steuervorteil zu erlangen, was daraus gefolgert werden kann, dass die durchgeführten Geschäfte nicht den üblichen Geschäftsbedingungen entsprechen.

Die Beweislast für den Nachweis des Vorliegens eines Mehrwertsteuerbetrugs und der Beteiligung des Steuersubjekts daran liegt ausschließlich beim Steuerverwalter, der zwecks Verweigerung des Rechts auf Steuerabzug beweispflichtig ist - Folgendes nachzuweisen hat: 1) das Vorhandensein einer fehlenden Steuer innerhalb einer nachgewiesenen betrügerischen Kette, 2) das Vorliegen objektiver Umstände, die die Kenntnis des Steuersubjekts von betrügerischem Verhalten belegen, 3) die Tatsache, dass das Steuersubjekt keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen hat, um seine Beteiligung an dem Mehrwertsteuerbetrug zu eliminieren. Ohne gleichzeitigen Nachweis aller Aspekte kann die Anerkennung des vom Steuersubjekt in der Steuererklärung erklärten Steuerabzugsanspruchs nicht verweigert werden.

Obwohl der Bereich des Mehrwertsteuerbetrugs vom EuGH und NSS-Gericht bereits ziemlich gut judiziert wurde, respektieren die Steuerbehörden diese konstante Rechtsprechung oft nicht und interpretieren den Begriff „Mehrwertsteuerbetrug“ falsch, was wir mit der Causa unseres Mandanten präsentieren können.

Im vorliegenden Fall stützte der Finanzverwalter seine Behauptung der Steuerhinterziehung darauf, dass der Steuerpflichtige in eine Kette von Kraftstoff-Wiederverkaufsgesellschaften eingebunden war, wobei bei diesen Transaktionen in der Kette die Steuerneutralität verletzt wurde, indem eine der Körperschaften ihre Steuerpflichten nicht mehr erfüllte, kontaktlos wurde und die vorgeschriebene Steuer nicht bezahlte, wodurch nach Ansicht des Finanzverwalters die Voraussetzung des Vorliegens eines Mehrwertsteuer-betrugs im Sinne einer fehlenden Steuer für eines der Glieder in der Unternehmenskette erfüllt war. Bereits während einer Steuerprüfung sowie im anschließenden Berufungsverfahren haben wir stets im Detail argumentiert, dass das Vorliegen einer Steuerhinterziehung durch den Steuerverwalter nicht nachgewiesen wurde. Da diese unsere Argumentation bei den Finanzverwaltungsbehörden keinen Erfolg hatte, blieb uns nichts anderes übrig, als uns mit einer Klage an das Kreisgericht Prag (KGP) zu wenden.

Das KGP bestätigte unsere Argumentation, als es erklärte, dass es nicht ausreicht, einfach festzustellen, dass Kraftstoffe in einer Kette von Unternehmen gehandelt wurden, in der eines von ihnen kontaktlos wurde, seine Steuerpflichten nicht mehr erfüllte und die angegebene Steuer nicht bezahlte. Die Nichtabfuhr/ Nichtzahlung von Steuern muss auch das Ergebnis von Handlungen sein, die darauf abzielen, das Mehrwertsteuersystem zu missbrauchen; und nicht nur das Ergebnis eines bloßen Geschäftsversagens bzw. anderer entschuldbarer Gründe.

Konkret führte das KGP-Gericht dann aus, dass die Feststellungen des Steuerverwalters im vorliegenden Fall zeigen, dass die Körperschaft, für die der Steuerverwalter die fehlende Steuer festgestellt hat, ihre Steuerverpflichtungen bis März 2011 auf dem üblichen Weg beglichen hat und Steuererklärungen bis Januar 2013 einreichte. Der ehemalige Geschäftsführer der Gesellschaft sagte in einer Zeugenaussage aus dem Jahr 2017 aus, dass die tschechischen Konten des Unternehmens im März 2011 gesperrt werden sollten. Der Steuerverwalter hat diese Tatsache jedoch nicht näher untersucht, obwohl die Unfähigkeit, über finanzielle Mittel zu verfügen, eine natürliche Erklärung für die Nichtzahlung von Steuerverpflichtungen sein könnte. Im Gegenteil, so das KGP, die festgestellten Tatsachen haben die Schlussfolgerung des Steuerverwalters, dass die Nichtzahlung der Steuer durch das betreffende Unternehmen durch betrügerisches Verhalten motiviert war, grundlegend abgeschwächt.

Gegen das KGP-Urteil reichte die Berufungsfinanzdirektion eine Kassationsbeschwerde ein, da sie nicht mit seinen Schlussfolgerungen übereinstimmte. Das NSS-Gericht wies jedoch die die erhobene Kassationsbeschwerde mit dem oben genannten Urteil zurück und bescheinigte dem KG-Gericht, dass die Steuerbehörden die Erfüllung der ersten Bedingung für die Versagung des Anspruchs auf Vorsteuerabzug wegen Beteiligung an betrügerischer Kette - d.h. das Vorliegen von Umständen, die auf Steuerbetrug hinweisen bzw. den betrügerischen Charakter der Handlungen von Unternehmen in der Kette nachweisen, die darauf abzielen, einen ungerechtfertigten Vorteil zu erzielen - nicht zuverlässig nachgewiesen haben.

Das NSS-Gericht hat ausdrücklich Folgendes erklärt: „Vor allem aber kann der Schluss, dass der Steuerverzicht arglistig erfolgte, nicht auf unbegründeter Spekulation über Rechtswidrigkeit des Handelns des Lieferanten gestützt werden, wenn der Beschwerdeführer nicht einmal den genauen Grund für die Sperrung der Gloria Vendor Konten angegeben hat. Umstände, die den betrügerischen Charakter der untersuchten Transaktionen belegen, können nicht vermutet, sondern müssen nachgewiesen werden.“

Auch das NSS bestätigte, dass der Steuerverwalter im vorliegenden Fall seine Beweislast für Nachweis betr. Vorliegen eines Steuerbetrugs nicht getragen hat, und daher war die Steuernachbemessung gegenüber unserem Mandanten falsch und rechtswidrig.

Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass auch nach dem letzten Urteil des NSS-Gerichts die Verweigerung des Anspruchs auf Steuerabzug eine Ausnahme von der Regel darstellt, dass der Steuerpflichtige zum Steuerabzug berechtigt ist. Steuerbehörden sollten diese Möglichkeit daher mit Vorsicht behandeln und sie nur und ausschließlich in Situationen nutzen, die eindeutige Anzeichen für betrügerisches Verhalten aufweisen. Der hinreichende Nachweis, dass die fehlende Steuer durch betrügerisches Verhalten zur Erlangung eines unberechtigten Steuervorteils verursacht wurde, obliegt dann ausschließlich den Steuerverwaltungsbehörden. Erst nachdem die Steuerverwaltung diese erste Voraussetzung zuverlässig nachgewiesen hat, ist es relevant, sich damit zu beschäftigen, ob der Steuerzahler vom Steuerbetrug wusste oder hätte wissen können und ob er ausreichende Maßnahmen ergriffen hat, um seine Beteiligung am Umsatzsteuerbetrug zu vermeiden.

Autor: Lenka Kočerová, Jaroslava Půtová