Petr Němec | 17.12.2024
Internetplattformen und Fortführung der Berichterstattung lt. DAC 7Steuern, Buchhaltung, Recht und mehr. Alle wichtigen Neuigkeiten für Ihr Unternehmen.
| November 2, 2021
In diesem Artikel besprechen wir die jüngste Rechtsprechung des tschechischen Obersten Verwaltungsgerichts (im Folgenden „OVG-cz“) zum Erlass von Zwangsgeldern gemäß § 259a des Gesetzes Nr. 280/2009 Sb. (im Folgenden „Abgabenordnung"), insbesondere im Zusammenhang mit Steuerbetrug. In seinen jüngsten Urteilen ist das OVG-cz zu dem Schluss gekommen, dass ein Zwangsgeld im Zusammenhang mit der Beteiligung des Steuerpflichtigen an einem Steuerbetrug nicht erlassen werden könne, auch wenn die Kriterien für einen Erlass ansonsten erfüllt seien.
Gemäß § 259a Abs. 1 und 3 Abgabenordnung kann der Steuerpflichtige bei der Steuerverwaltung beantragen, dass ein Teil des Zwangsgelds erlassen wird, wenn die Steuer, aufgrund derer die Verpflichtung zur Zahlung des Zwangsgelds entstanden ist, entrichtet wurde; dieser Antrag muss spätestens innerhalb von drei Monaten ab dem Datum der Rechtskraft des Zahlungsbescheids, mit dem die Verpflichtung zur Zahlung des Zwangsgelds beschlossen wurde, gestellt werden. Gemäß § 259c Absätze 2 und 3 Abgabenordnung prüft die Steuerverwaltung zunächst, ob dem Antrag stattgegeben werden kann und das Zwangsgeld erlassen werden kann. Es ist für die Steuerverwaltung nicht möglich, auf das Zwangsgeld zu verzichten, wenn das Steuersubjekt oder eine Person, die Mitglied dessen satzungsgemäßen Organs ist, in den letzten drei Jahren schwerwiegend gegen die Steuer- oder Rechnungslegungsvorschriften verstoßen hat.
Wenn die Steuerverwaltung zu dem Schluss kommt, dass ein Verzicht auf Zwangsgeld möglich ist, prüft sie den Umfang des Verzichts, der bis zu 75 % betragen kann; sie kann aber auch zu dem Schluss kommen, dass kein Betrag erlassen wird. Die Abgabenordnung legt zwei Kriterien für die Beurteilung des Umfangs des Verzichts auf Zwangsgeld fest, nämlich die Mitwirkung des Steuerpflichtigen an dem Verfahren, das zur Steuerfestsetzung von Amts wegen führt (siehe § 259a Absatz 2 Abgabenordnung), und die Häufigkeit der Verstöße des Steuerpflichtigen gegen seine Pflichten im Bereich der Steuerverwaltung (siehe § 259c Absatz 1 Abgabenordnung).
Zu dieser gesetzlichen Regelung des Zwangsgelderlasses hat das OVG-cz in seinem Urteil vom 2. August 2017, AZ 2 Afs 62/2017-37, AZ 3636/2017 Sb. zu der Frage Stellung genommen, ob für die Beurteilung des Hindernisses des Zwangsgelderlasses im Sinne des § 259c Abs. 2 und 3 Abgabenordnung, d.h. bei schwerwiegenden Verstößen gegen steuerliche oder buchhalterische Vorschriften, auch das Verhalten berücksichtigt wird, das die tatsächliche und rechtliche Grundlage für die Verhängung des Zwangsgelds bildet, dessen Erlass der Steuerpflichtige beantragt (im vorliegenden Fall handelte es sich um ein Zwangsgeld für einen Verstoß gegen die Zollvorschriften mit einem Höchstbetrag von mindestens 250.000 CZK). Das OVG-cz kam zu dem Schluss, dass dies nicht der Fall ist. Gleichzeitig stellte das OVG-cz jedoch fest, dass die Steuerverwaltung im Rahmen ihres Ermessens die Art des betreffenden Verhaltens berücksichtigen und angesichts der Art, der Intensität oder der sonstigen Umstände des Verstoßes nicht auf das Zwangsgeld verzichten kann.
Diese Auffassung des OVG-cz wurde später von der Erweiterten Kammer des OVG-cz in einem anderen Fall überprüft, die in ihrem Beschluss vom 26. Januar 2021, AZ 1 Afs 236/2019-83, AZ 4141/2021 Sb. bestätigte, dass bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 259c Abs. 1 c) Abgabenordnung erfüllt sind, nicht der Verstoß gegen Steuervorschriften berücksichtigt wird, der die tatsächliche und rechtliche Grundlage für die Verhängung des Zwangsgeldes ist, dessen Erlass der Steuerpflichtige beantragt, und präzisiert weiter, dass die Steuerverwaltung diesen Verstoß im Rahmen des Verwaltungsermessens gemäß § 259a Absatz 2 Abgabenordnung berücksichtige und nicht auf das Zwangsgeld im Hinblick auf die Art, die Intensität oder andere Umstände dieses Verstoßes verzichten müsse. Mit anderen Worten: Nach Auffassung des Obersten Verwaltungsgerichts berücksichtigt die Steuerverwaltung neben den Kriterien der Kooperation des Steuerpflichtigen und der Häufigkeit des Verstoßes auch die Art des Verhaltens, das zur Verhängung der Strafe geführt hat.
Die Erweiterte Kammer des OVG-CZ stellte fest: "Die Argumentation, wonach der Ermessensspielraum der Verwaltung im Bereich des Steuererlasses auf den Umfang der Zusammenarbeit des Steuerpflichtigen mit der Steuerverwaltung und die Häufigkeit der Verstöße gegen die Pflichten der Steuerverwaltung beschränkt werden sollte, ist unzutreffend. Gerade weil sie auf einem Ermessensspielraum der Verwaltung beruht, stützt sich die Regelung des Erlasses des Steuerzubehörs auf einen breiteren Rahmen von Werten und Grundsätzen als die ausdrücklich im Gesetz festgelegten Kriterien. Diese Werte und Grundsätze sind nicht nur im Steuerrecht insgesamt, sondern auch im Verfassungsrecht enthalten. (...) Daher kann teilweise der Schluss gezogen werden, dass die Steuerverwaltung im Rahmen von § 259a Absatz 2 Abgabenordnung eine Ermessensentscheidung darüber trifft, ob und in welcher Höhe sie das Zwangsgeld erlässt oder ob sie das Zwangsgeld nicht erlässt. Bei dieser Abwägung hat sie nicht nur die zwingenden Kriterien, sondern auch die allgemeinen Grundsätze des Rechts und der Verfassungsordnung zu berücksichtigen."
Die erweiterte Kammer kam zu dem Schluss, dass in das Ermessen der Steuerverwaltung auch das Verhalten (Verstoß gegen die Steuer- oder Rechnungslegungsvorschriften) einbezogen werden muss, das zur Verhängung des Zwangsgelds geführt hat, und stützte sich dabei u. a. auf folgende Erwägungen: „Das Zwangsgeld hat die Form einer Strafe (siehe den Beschluss der erweiterten Kammer vom 24.11.2015, A 4 Afs 210/2014 – 57, AZ 3348/2016 Sb. OVG-cz). Es handelt sich um eine einmalige finanzielle Sanktion, die ohne vorheriges Verfahren per Gesetz in Höhe eines Prozentsatzes der zu Unrecht geltend gemachten Steuer, des Steuerabzugs oder des Steuerverlusts festgelegt wird, unabhängig von der Art des konkreten Verstoßes gegen die Steuervorschriften. Ihre Verhängung unterliegt nicht dem Ermessen der Steuerverwaltung, und die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung des Zwangsgelds erfolgt somit "automatisch" nach Feststellung der in § 251 Abgabenordnung genannten Tatsachen. Dies macht das Steuerzwangsgeld zu einer Ausnahme von den üblichen Grundsätzen, die mit der Verhängung einer Geldstrafe verbunden sind. (...) Die Verhängung eines Zwangsgelds beruht im Allgemeinen auf zwei Grundprinzipien: dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Strafe und dem Grundsatz der Individualisierung der Strafe. Bei der Individualisierung der Strafe wird geprüft, ob und wie alle Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt wurden und ob im Rahmen einer rechtmäßigen strafrechtlichen Sanktion eine Art der Bestrafung für den Täter und in einer Höhe gewählt wurde, die den Zweck des Zwangsgelds erfüllt und nicht offenkundig unverhältnismäßig ist. (...) die Bewertung des Verstoßes, die die tatsächliche und rechtliche Grundlage für das Zwangsgeld bildet, dessen Erlass der Steuerpflichtige beantragt, im Rahmen des Ermessens der Verwaltung nach § 259a Absatz 2 Abgabenordnung im Hinblick auf die Art, die Intensität oder die sonstigen Umstände der Zuwiderhandlung wird den Grundsatz der Individualisierung der Strafe ins Spiel bringen, aber angesichts der gesetzlichen Konstruktion der "automatischen" Verhängung dieser Sanktion nur in der Phase ihres Erlasses. Es ist die erste und einzige Gelegenheit, die verhängte Sanktion zu individualisieren, einschließlich der verwaltungsmäßigen Prüfung, ob und in welcher Höhe das Zwangsgeld erlassen werden soll.
Diese Stellungnahme der erweiterten Kammer erging im Rahmen des Verfahrens über die Entscheidung der Steuerverwaltung, den Antrag auf Erlass des Zwangsgelds abzulehnen, der unter Bezugnahme auf das Urteil des Obersten Verwaltungsgerichts (OVG) AZ 2 Afs 62/2017-37 die Art, die Intensität und die sonstigen Umstände des Verstoßes gegen die Steuergesetzgebung berücksichtigte, der die tatsächliche und rechtliche Grundlage für das Zwangsgeld war, im vorliegenden Fall die Beteiligung an einem Kettensteuerbetrug (Erwerb von metallurgischem Material, Blei und Zink). Die Steuerverwaltung kam zu dem Schluss, dass das Verhalten des Steuerpflichtigen nicht als "gutgläubiger Irrtum“, d.h. offensichtlicher Fehler, Irrtum oder Fehlinterpretation des materiellen Steuerrechts, sondern als Beteiligung an einem im Voraus festgelegten und organisierten betrügerischen Geschäftsmodell gewertet werden kann, von dem der Steuerpflichtige hätte wissen müssen und können und das er bei Ergreifen vernünftiger und realistischer Maßnahmen eindeutig hätte vermeiden können". In seinem Urteil vom 18. Februar 2021, AZ 1 Afs 236/2019 - 93, vertrat die Erste Kammer des OVG-cz in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der erweiterten Kammer die Auffassung, dass die Steuerverwaltung gesetzeskonform gehandelt, in der angefochtenen Entscheidung die Umstände der Beteiligung des Beschwerdeführers an dem Mehrwertsteuerbetrug hinreichend genau beschrieben und dargelegt habe, warum dieser nicht zufällig gewesen sein könne. Das OVG-cz vertrat auch die Auffassung, dass es unerheblich sei, ob die Beteiligung am Steuerbetrug unwissentlich war, da die Steuerverwaltung im Steuerfestsetzungs- und Zwangsgeldverfahren nicht nachweisen müsse, dass der Beschwerdeführer vorsätzlich an einer betrügerischen Mehrwertsteuerkette beteiligt gewesen sei. Es reiche aus, wenn sie zu dem Schluss komme, dass der Beschwerdeführer von der Beteiligung am Steuerbetrug wusste oder hätte wissen müssen und wissen konnte. Es sei nicht ersichtlich, warum die Steuerverwaltung bei der Entscheidung über den Verzicht auf das Zwangsgeld einen höheren Maßstab anlegen sollte.
Dieser Rechtsprechung folgte das aktuelle Urteil des OVG-cz vom 8. Oktober 2021, AZ 4 Afs 99/2021-34, in dem es wie im vorangegangenen Fall die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Steuerverwaltung bestätigte, die den Antrag auf Erlass des Zwangsgelds ablehnte, obwohl die Kriterien für einen Erlass ansonsten erfüllt waren. In diesem Fall kam die Steuerverwaltung zu dem Schluss, dass das betreffende Steuersubjekt in der Zeit von Januar bis Februar 2011 mit einem hohen Grad an Intensität gegen Steuervorschriften verstoßen hatte, der über den Rahmen gewöhnlicher Steuerverstöße hinausging, da es seiner Natur nach ein wissentlich betrügerisches Verhalten an den Tag gelegt oder eine Kette von Geschäften getätigt hatte, die von Betrug geprägt waren (insbesondere der Handel mit Goldbarren). Auch hier kam das OVG-cz zu dem Schluss, dass die Steuerverwaltung die Umstände der Beteiligung des Steuerpflichtigen an dem MwSt.-Betrug hinreichend detailliert beschrieben und erläutert hatte, warum dieser nicht zufällig gewesen sein konnte. Das OVG-cz befand daher, dass die Vorgehensweise der Steuerverwaltung mit dem Gesetz in Einklang gestanden habe.
In Anbetracht der oben genannten Rechtsprechung des OVG-cz ist bei einer Steuerveranlagung wegen Verweigerung des Rechts auf Vorsteuerabzug aufgrund der Beteiligung des Steuerpflichtigen an einem Steuerbetrug, von dem der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen und von dem er wissen konnte, zu berücksichtigen, dass die Steuerverwaltung das Zwangsgeld im Zusammenhang mit der auf diese Weise veranlagten Steuer nicht erlassen darf.