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Jessica Vaculíková | September 24, 2024
Auf den ersten Blick zwei völlig unterschiedliche Themen. Nach Ansicht des Verfassungsgerichts ist jedoch der Verbraucherschutz ein wichtiger Aspekt auch bei der Beurteilung der Verantwortung des Arbeitgebers für die rechtswidrige Handlung eines Arbeitnehmers. Im gerichtlichen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom Juni dieses Jahres, AZ. II. ÚS 288/23, wurde die langjährige Rechtsprechung des Obersten Gerichts zur Verantwortung des Arbeitgebers für die rechtswidrige Handlung des Arbeitnehmers gegenüber dem Verbraucher geändert.
Im beschriebenen Fall forderte die Geschädigte einen Ersatz für den ihr durch Betrug entstandenen Schaden. Der Betrug wurde von einem Mitarbeiter der Tschechischen Post (Česká pošta) begangen, als er als Spezialist für den Verkauf von Investitionsprodukten der Česká spořitelna den Klienten wiederholt ein Dokument mit Antrag auf einen Rückkauf zur Unterzeichnung überreichte. Später fügte er diesem Dokument jedoch das Datum und sein Privatkonto (nicht das Konto des Klienten) hinzu, auf dem ihm die ČSOB-Bank anschließend die vom Klienten investierten Mittel auszahlte.
Das Strafgericht verurteilte den beschuldigten Mitarbeiter der Tschechischen Post (ČP) unter anderem dazu, der Geschädigten den entstandenen Schaden in Höhe von 294 549,46 CZK zu ersetzen. Von diesem Betrag zahlte der Angeklagte jedoch nur 1 500 CZK und die Geschädigte wandte sich daher mit einer Klage gegen die Tschechische Post (als Arbeitgeber des Angeklagten) an das Zivilgericht, mit der Begründung, dass der Arbeitgeber für die Handlungen seiner Mitarbeiter verantwortlich sei.
Die allgemeinen Gerichte, mit Ausnahme des erstinstanzlichen Gerichts, lehnten die Klage der Geschädigten gegen die Tschechische Post (die der Arbeitgeber des Angeklagten war), mit der Begründung ab, dass der Arbeitgeber für die rechtswidrige Handlung des Arbeitnehmers – die er bei der Ausübung der Arbeitsaufgaben begangen hat - nicht verantwortlich sei, denn in diesem Fall handelte es sich um einen Exzess des Arbeitnehmers. Wenn die Handlungen des Arbeitnehmers in keinem örtlichen, zeitlichen und zielgerichteten Zusammenhang mit seinen Arbeitsaufgaben stehen, begeht er im Allgemeinen einen Exzess und der Arbeitgeber ist für solche Handlungen nicht verantwortlich.
Die Geschädigte war mit der Entscheidung der allgemeinen Gerichte nicht einverstanden und legte in dieser Angelegenheit eine, sich unter anderem auf verbraucherschutzrelevante Argumente stützende Verfassungsbeschwerde ein, und das Verfassungsgericht gab ihr Recht. Obwohl die Entscheidungen der allgemeinen Gerichte auf früherer Rechtsprechung basierten, gingen sie nicht ausreichend auf die Tatsache ein, dass der Schaden im Rahmen eines Verbraucherverhältnisses entstanden ist, und daher ist es erforderlich, ihn auch unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten.
Nach Ansicht des Verfassungsgerichts ist es bei der Entscheidung über die Verantwortung des Arbeitgebers für rechtswidrige Handlungen des Arbeitnehmers gegenüber dem Verbraucher erforderlich, die Bestimmungen von § 167 des Gesetzes Nr. 89/2012 Slg., das Bürgerliche Gesetzbuch - die die Zurechenbarkeit einer rechtswidrigen Handlung an eine juristische Person regeln - zu beachten, die Stellung des Verbrauchers konsequent als schwächere Vertragspartei zu berücksichtigen sowie die für den Verbraucher günstigste Auslegung zu wählen.
Die in der Rechtsprechung festgelegte Konstruktion betr. Exzess des Arbeitnehmers kann nicht herangezogen werden, wenn die Vertragspartei Verbraucher ist und der Arbeitnehmer bei der Ausübung seiner Arbeitstätigkeit eine rechtswidrige Handlung begeht. Tatsächlich entbindet die Exzess-Konstruktion den Arbeitgeber von der Haftung für die durch das rechtswidrige Verhalten eines Arbeitnehmers verursachten Schäden über den Rahmen der gesetzlichen Regelung hinaus und verstößt somit gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Verbraucherschutzes. Wendet das Gericht die Exzess-Konstruktion auf den geschädigten Verbraucher an, verstößt es gegen seine verfassungsrechtlich garantierten Rechte auf Schutz des Eigentums gem. Art. 11 Abs. 1
der Charta der Grundrechte und Grundfreiheiten und auf den Rechtsschutz gemäß Art. 36 Abs. 1 der Charta der Grundrechte und Grundfreiheiten.