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Veronika Odrobinová | | November 22, 2022

Zählzeit im Falle einer Unstimmigkeit zwischen dem Gesetz über elektronische Transaktionen und der Abgabenordnung

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"Studenten können bei der Erarbeitung einer Klausurarbeit auch einen Taschenrechner und einen Kalender verwenden.", so lautet eine der Regeln, die ein Jurastudent bei der Vorbereitung für eine Klausurarbeit lesen kann. Ein Vorübergehender könnte fragen, warum ein Student neben Gesetzen auch einen Kalender zur Prüfung mitnimmt. Das Berechnen von Zeit (Fristen) ist keine leichte Aufgabe – und die Folgen einer Fehleinschätzung können sehr unangenehm sein. Rechtssysteme im Bereich praktische Werkzeuge verfügen sogar über einen Zähler, der den Anwälten das Leben erleichtert. Allerdings kann es durch die widersprüchliche Entscheidungspraxis der Gerichte kompliziert werden. Das Urteil des Obersten Verwaltungsgerichts der Tschechischen Republik („NSS“) vom Mai dieses Jahres[1] vereinheitlicht und verdeutlicht die bisherige Interpretation.

Grundsätzlich gilt für die Zeitberechnung Folgendes: Fällt der letzte Tag der Frist auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, verschiebt sich das Fristende auf den nächsten Werktag.

Das NSS-Gericht beurteilte einen Streitfall zwischen der Handelskorporation HUL HO, s.r.o. („Gesellschaft“) und der Berufungsfinanzdirektion („OFŘ“), die am 22. 12. 2016 einen Zahlungsbefehl erlassen hat, mit dem der Gesellschaft eine Geldbuße in Höhe von 30.000,- CZK auferlegt wurde, und dies für „(nicht rechtzeitige) Vorlage eines Folgekontrollberichts aufgrund einer Aufforderung zur Änderung, Ergänzung bzw. Bestätigung der in dem vorgelegten Kontrollbericht für den Besteuerungszeitraum April 2016 angegebenen Daten“.

Die Gesellschaft hat den Kontrollbericht für den Steuerzeitraum April 2016 bereits am 29. 5. 2016 eingereicht,
der Steuerverwalter, d.h. das Finanzamt, forderte sie jedoch am 2. 6. 2016 zu dessen Änderung, Ergänzung bzw. Bestätigung der darin (im Abschnitt A. 4.) angegebenen Daten innerhalb von 5 Tagen ab dem Datum der Benachrichtigung über diese Aufforderung („Aufforderung“), die der Gesellschaft durch Fiktion gemäß Gesetz Nr. 300/2008 Slg., über elektronische Transaktionen und autorisierte Dokumentenkonvertierung, in der jeweils gültigen Fassung (im Folgenden auch als „Gesetz über elektronische Transaktionen“ bezeichnet), zugestellt worden ist.
Die Fiktion der Zustellung erfolgte nach der Bestimmung § 17 Abs. 4 des Gesetzes, die wie folgt lautet: „Wenn sich eine Person nach Absatz 3 nicht innerhalb von 10 Tagen in die Datenbox einloggt, ab dem Tag, an dem ein Dokument in die Datenbox geliefert wurde, gilt dieses Dokument als am letzten Tag dieser Frist zugestellt; dies gilt nicht, soweit eine andere gesetzliche Bestimmung eine Ersatzzustellung ausschließt.“

Der Tag, an dem die Aufforderung herausgegeben wurde, war Donnerstag am 2. 6., die Zustellung durch Fiktion erfolgte nach Auslegung des Finanzamtes am Sonntag den 12. 6., letzter Abgabetag war daher Freitag am 17. 6. Die Gesellschaft legte aber den Kontrollbericht erst nach dem Wochenende, am Montag, den 20. 6. vor. Das Finanzamt akzeptierte zwar die Einreichung, bezeichnete sie jedoch als verspätet und stellte den oben genannten Zahlungsbescheid aus und verhängte eine Geldbuße. Dagegen legte das Unternehmen eine Berufung ein und berief sich auf § 33 Abs. 4 des Gesetzes Nr. 280/2009 Slg., Abgabenordnung, in der geltenden Fassung („DŘ/AO“), die in Übereinstimmung mit der oben erwähnten etablierten Praxis Folgendes festlegt: „Fällt der letzte Tag der (Abgabe-)Frist auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, so gilt als der letzte Tag der Frist der nächstfolgende Werktag; dies gilt nicht, wenn es sich um einen Zeitraum handelt, der in kürzeren Zeiteinheiten
als Tagen bestimmt ist
.“ Nach einer solchen Auslegung hätte die Zustellung nicht am Sonntag 12. 6., sondern erst am nächsten Werktag (13. 6.) erfolgen können, wodurch die Erfüllungsfrist erst am Samstag 18. 6. endete und derer Ende daher auf Montag 20. 6. fiel, wenn das Unternehmen den Kontrollbericht gesendet hat. Die OFŘ-Direktion bestätigte die Entscheidung des Finanzamts, woraufhin die Gesellschaft eine Verwaltungsklage einreichte.

Es mag den Anschein haben, dass das Vorgehen der staatlichen Verwaltungsorgane unverständlich ist – schließlich spricht das Gesetz klar und das Unternehmen hat recht. Es sollte jedoch keine neun Jahre alte Rechtsprechung bzw. das sog. „STASEK“-Judikat[2] von NSS-Gericht bestehen. Darin wurde festgelegt, dass die Regel bzgl. Zustellung an Wochenenden und Feiertagen nicht für die elektronische Zustellung gilt. Das Kreisgericht ist von einer solchen Auslegung abgewichen und hat ausgeführt, dass die Verschiebung der Frist von Wochenenden und Feiertagen auf Werktage nicht darum eingeführt worden sei, dass die Postämter geschlossen sind und der Adressat den Brief nicht abholen kann (darauf basierte das „STASEK“-Judikat, da es bei Datenboxen natürlich kein solches Hindernis gibt). Es handelt sich um eine Wertabgrenzung/-definition des Gesetzgebers bezüglich der Arbeit am Wochenende. Unabhängig davon, auf welchem Weg/mit welchen Mitteln die Nachricht zugestellt wird, dürfe eine Person während der Ruhezeit nicht verpflichtet sein, sich damit zu befassen, behauptet das Kreisgericht.

„Daher geht es bei dieser Zählzeitregel nicht darum, ob die betroffene Person Zugang zum Abgabeort hat oder nicht. Tatsächlich geht es darum, dass sie – selbst wenn sie einen solchen Zugang hat – sich entspannen kann, d.h. dass sie an Samstagen, Sonn- und Feiertagen nicht in die Datenbox einloggen muss und diese Tätigkeit ohne Folgen erst auf den nächsten Werktag verschieben kann.“

Zugleich hat das Kreisgericht überzeugend dargelegt, dass es nach dem Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung sinnlos sei, die Bestimmung der Abgabenordnung nicht zu bevorzugen, wenn das Gesetz über den elektronischen Geschäftsverkehr keine Regel bzgl. Zählzeit enthält.

Die OFŘ-Direktion reichte eine Kassationsbeschwerde beim Obersten Verwaltungsgericht (NSS) ein. Der erweiterte Senat des NSS-Gerichts stellte sich auf die Seite/Argumentation des Kreisgerichts und gab dem Unternehmen damit recht, wobei damit zugleich die bestehende durch die oben genannte Entscheidung definierte Rechtsprechung bzw. das „STASEK“-Judikat übertreffen wurde.

„Wenn ein Dokument bei der Steuerverwaltung übermittelt wird, ist für die Zustellung in die Datenbox § 33 Abs. 4 der Abgabeordnung ausschlaggebend, wonach, wenn der letzte Tag der Frist auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt, als der letzte Tag der Abgabefrist der dem nächsten Geschäftstag am nächsten liegende Tag gilt; dies gilt nicht, wenn es sich um einen Zeitraum handelt, der in kürzeren Zeiteinheiten als Tagen bestimmt ist.“

Es sollte daher endgültig vereinigt werden, dass die Fristenberechnung laut Abgabenordnung/DŘ
auch für die elektronische Kommunikation zwischen dem Staat und den Bürgern verwendet wird.

In Fall von etwaigen Fragen zu diesem Thema zögern Sie bitte nicht, uns zu kontaktieren.

[1] NSS- Urteil AZ. 4 Afs 264/2018-85 vom 26. 5. 2022

[2] NSS- Urteil AZ. 5 Afs 76/2012-28 vom 16. 5. 2013

Autor: Veronika Odrobinová, Adam Simota