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Besonders problematisch wird die Frage der Haftung einer Hilfsperson für Schäden, die sie Dritten zufügt, insbesondere dann, wenn die Hilfsperson Arbeitnehmer und zugleich Geschäftsführer oder Gesellschafter des Arbeitgebers ist. Dieser Doppelstatus wirft eine Schlüsselrechtsfrage auf: Kann ein solcher Arbeitnehmer als untergeordneter Arbeitnehmer angesehen werden, für den der Arbeitgeber haftet, oder muss er als selbstständig handelnde Hilfsperson angesehen werden, die für den verursachten Schaden unmittelbar haftet? In diesem Artikel konzentrieren wir uns auf relevante Entscheidungen des Obersten Gerichts, die Antworten auf diese Frage geben.
Im ersten dieser Fälle forderte die Klägerin eine Entschädigung für Körperverletzung und Verletzung von Persönlichkeitsrechten, die durch die Verletzung des Grundsatzes „de lege artis“ [1] bei der Durchführung eines medizinischen Eingriffs verursacht worden seien.
Die Klägerin wurde 2017 und 2018 zweimal operiert, mit Diagnose betr. Sehnenentzündung und schmerzhaftes Handgelenkssyndrom. Beide chirurgischen Eingriffe wurden von demselben Arzt durchgeführt, der zugleich Geschäftsführer und Alleingesellschafter des Unternehmens war, das die Gesundheitsversorgung der Klägerin gewährte. Bei einer anschließenden Kontrolluntersuchung wurde eine Verschlechterung des Zustandes der Klägerin festgestellt und aufgrund von Komplikationen musste der kleine Finger schließlich amputiert werden. Die Klägerin behauptete, der Arzt habe non lege artis gehandelt. Mit einer vor dem Bezirksgericht in Nový Jičín eingereichten Klage forderte sie daher den Ersatz des ihr durch diesen Eingriff entstandenen immateriellen Schadens, nämlich sowohl gegen das Unternehmen als Erbringer medizinischer Dienstleistungen (1. Beklagte) als auch gegen den Arzt, der die Eingriffe vornahm (2. Beklagter).
Das Bezirksgericht in Nový Jičín wies die Klage mit der Begründung ab, dass die 1. Beklagte ordnungsgemäß gehandelt und keine Rechtspflichten verletzt habe, während dem 2. Beklagten keine passive Haftung zustehe (dieser ohne passive Legitimation geblieben ist). Im Berufungsverfahren bestätigte das Bezirksgericht in Ostrava die Klageabweisung gegenüber dem 2. Beklagten, hob die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts gegenüber der 1. Beklagten jedoch auf und gab die Sache insoweit zur weiteren Verhandlung zurück.
Das Oberste Gericht hob das Urteil des Kreisgerichts in Ostrava sowie des Bezirksgerichts in Novy Jičín, im Teil betreffend die Klageabweisung in Bezug auf den 2. Beklagten auf und verwies die Sache zur weiteren Verhandlung an das Gericht erster Instanz zurück. Wenn ein Arzt Gesundheitsdienstleistungen als Berufsvertreter eines Unternehmens erbringt (wie im vorliegenden Fall), bedeutet dies, laut dem Obersten Gericht, nicht automatisch, dass er für etwaige Schäden gegenüber Dritten nicht auch persönlich haftbar ist. Das Oberste Gericht betonte auch, dass das Gesetz über Gesundheitsdienstleistungen unmittelbare Haftung des Arztes neben der Haftung der Gesundheitseinrichtung nicht ausschließt. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist jedoch bei der Beurteilung der Haftung einer Hilfsperson (eines Arztes) für Schäden gegenüber Dritten der Grad seiner Autonomie oder umgekehrt seiner Unterordnung gegenüber der Hauptperson (Unternehmen) entscheidend. Wenn der Arzt als Hilfsperson also gleichzeitig Geschäftsführer und Gesellschafter des Unternehmens war – selbst wenn er auch Arbeitnehmer war – kann in einem solchen Fall nicht von seiner faktischen Unterordnung gegenüber dem Unternehmen als Arbeitgeber gesprochen werden, was andernfalls ein Grund für den Ausschluss seiner persönlichen Haftung wäre, und gemäß § 2914 Bürgerlichen Gesetzbuchs allein der Arbeitgeber haftbar wäre.
Es entsteht daher für ihn eine eigenständige Haftung neben der Hauptperson (also dem Unternehmen).
Das Gericht kam insbesondere zu dem Schluss, dass der Arzt, auch wenn er im vorliegenden Fall Arbeitnehmer wäre, sich ebenfalls in der Position eines Arbeitgebers befände, dessen Weisungen er zu befolgen hätte, da er als Gesellschafter und Geschäftsführer den Willen für die Gesellschaft als juristische Person geschaffen habe. Daher würde der oben genannte Schutz für einen Arbeitnehmer in untergeordneter Stellung auf ihn nicht anwendbar sein. Das Oberste Gericht stellte fest, dass es auch nicht sinnvoll wäre, wenn Ärzte, die als natürliche Personen praktizieren, für die verursachten Schäden haften würden, während dies bei Ärzten, die als Hilfspersonen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung tätig sind, die sie auch kontrollieren/beherrschen, nicht der Fall wäre.
Das Oberste Gericht kam zu dem Schluss, dass der Anspruch des Geschädigten auf Ersatz des durch eine Hilfsperson verursachten Schadens nach der Rechtsprechungspraxis nicht allein deshalb eingeschränkt werden kann, weil für diesen Schaden auch ein anderes Subjekt verantwortlich ist. Die Klägerin hat daher als Patientin einen Anspruch auf Schadensersatz sowohl gegenüber der medizinischen Einrichtung als auch gegenüber dem jeweiligen Arzt, der einen Behandlungsfehler begangen hat.
In der zweiten Entscheidung befasste sich das Oberste Gericht mit der Haftung für Schäden, die bei einem Verkehrsunfall entstanden sind.
Am 12. 3. 2014 kam es auf der Autobahn D1 zu einem Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug des Beklagten von hinten auf das Fahrzeug des Klägers auffuhr und dabei Schaden verursachte. Der Beklagte war zum Unfallzeitpunkt Mitarbeiter, Geschäftsführer und Gesellschafter der Gesellschaft, die das vom Beklagten gelenkte Fahrzeug betrieb. Der Kläger reichte eine Klage beim Bezirksgericht in Vyškov ein, womit er nachfolgend Schadensersatz direkt vom Beklagten und seiner Versicherungsgesellschaft geltend machte. Obwohl das Gericht erster Instanz den Beklagten für den entstandenen Schaden haftbar machte und ihn dazu verurteilte, den durch ein Sachverständigen- Gutachten ermittelten Betrag gesamtschuldnerisch mit der Versicherungsgesellschaft zu zahlen, wies das Kreisgericht in Brno (als Berufungsgericht) die Berufung ab. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass sich der Unfall während Erfüllung der vom Beklagten für das Unternehmen durchgeführten Berufspflichten ereignete und daher nur das Unternehmen als Arbeitgeber und Betreiber des Fahrzeugs für den Schaden haftbar sei, während dem Beklagten keine passive Haftung zustehe (dieser ohne passive Legitimation geblieben ist).
Der Kläger legte daraufhin eine Berufung ein. Das Oberste Gericht stellte fest, dass die Tatsache, dass der Beklagte Arbeitnehmer, Geschäftsführer und Gesellschafter der Firma war, seine persönliche Haftung für die durch den Verkehrsunfall entstandenen Schäden keineswegs ausschließe. Gemäss § 2914 des Bürgerlichen Gesetzbuches haftet, wer sich bei seiner Tätigkeit eines Mitarbeiters, Vertreters oder einer sonstigen Hilfsperson bedient, für den von diesem verursachten Schaden; die Haftung der Hilfsperson ist hierdurch nicht berührt. Diese Regelung geht von der Annahme aus, dass bei der Inanspruchnahme einer Hilfsperson derjenige, der sie in Anspruch nimmt
(also die Hauptperson), aus deren Tätigkeit einen Nutzen zieht. Daher sollte sie auch die mit dieser Tätigkeit verbundenen Risiken tragen. Zudem haben Hauptpersonen bessere Möglichkeiten, etwaige Risiken einzuschätzen, die sie bei ihrer Tätigkeit weitgehend berücksichtigen können. Nicht zuletzt sei diese Hauptperson laut NS-Gericht in der Regel zahlungsfähiger als eine einzelne Hilfsperson und es bestehe deshalb eine höhere Chance, dass der Geschädigte von ihre einen Schadensersatz verlangen könne.
Allerdings handelte der Beklagte in diesem Fall nicht als eine Hilfsperson im Sinne der zitierten Bestimmung. Zwar habe der Beklagte den Schaden im Rahmen der Ausübung einer Tätigkeit für den Arbeitgeber verursacht,
er habe diese Tätigkeit jedoch nicht in der Stellung eines untergeordneten Arbeitnehmers ausgeübt, sondern habe hierüber selbst als Arbeitgeber maßgeblich entschieden.
Das Oberste Gericht kam (wie schon im ersten Fall) zum Schluss, dass der Geschädigte die Möglichkeit hat, einen Schadensersatz auch direkt vom Verursacher des Schadens zu verlangen. Die Entscheidung des Kreisgerichts in Brno wurde daher aufgehoben und die Sache zur weiteren Verhandlung zurückverwiesen.
Die vorgenannten Entscheidungen führen dazu, dass der imaginäre Schleier der Haftungsfiktion, die mit dem Schutz des Arbeitnehmers als untergeordneter Person verbunden ist, gegenüber den Personen, die gleichzeitig ebenfalls an der Willensbildung des Arbeitgebers als juristische Person mitwirken, zerreißt. Das Oberste Gericht gelangte in seiner Auslegung eindeutig zu dem Schluss, dass es im Falle einer Doppelrollenstellung auf den tatsächlichen Grad der Autonomie des Verursachers ankommt, der einem Dritten einen Schaden zugefügt hat. Allein die Tatsache, dass der Verursacher als Arbeitnehmer oder Hilfsperson tätig war, genügt für seine Haftungsbefreiung nicht, wenn er zugleich eine weisungsbefugte Stellung als Arbeitgeber innehatte.
[1] Der Begriff „de lege artis“, wörtlich übersetzt „nach dem Gesetz der Kunst“, wird am häufigsten im Zusammenhang mit der Gesundheitsfürsorge verwendet. Unter medizinischer Vorgehensweise de lege artis versteht man eine fachgerechte und sachgerechte Vorgehensweise im Einklang mit dem aktuellen Stand der Wissenschaft und den fachlichen Standards.