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Veronika Odrobinová | | July 25, 2023
Am 12. Juni 2023 veröffentlichte der EU-Rat eine Presseerklärung über seine Bereitschaft, Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament über den Entwurf für eine Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei der über Plattformen ausgeübten Arbeit (im Folgenden „Entwurf“ genannt) aufzunehmen. Die Europäische Kommission (im Folgenden „Kommission“) hat die Originalfassung des Entwurfs bereits am 9. Dezember 2021 vorgelegt. Es hat jedoch mehr als eineinhalb Jahre gedauert, bis ein politisch akzeptabler Kompromiss gefunden wurde, doch nun hat dieses Gesetzesvorhaben bereits konkrete Umrisse.
Ziel des Entwurfs sind die Harmonisierung und Präzisierung des Rechtsstatus natürlicher Personen, die Erwerbstätigkeiten über digitale Arbeitsplattformen in der EU ausüben. Dabei handelt es sich häufig z.B. um Kuriere, Taxifahrer, Dienstleister in fremden Haushalten. Formal gesehen handelt es sich hierbei zumeist um Selbstständige; die Praxis zeigt jedoch, dass ihre Zusammenarbeit mit der Plattform häufig Anzeichen eines Arbeitsverhältnisses aufweist.
Dem Entwurf zufolge ist eine digitale Arbeitsplattform jede natürliche oder juristische Person, unabhängig davon, ob sie in der EU ansässig ist oder nicht, die eine Dienstleistung bereitstellt, die:
Der Entwurf geht von sieben Anhaltspunkten für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses aus. Für den Fall, dass ein Verhältnis zwischen dem Betreiber einer Plattform und der über die Plattform eine Arbeitsleistung erbringenden Person entsteht – sei es „auf dem Papier“ oder in der Praxis – mindestens drei dieser sieben Merkmale aufweist, liegt eine widerlegliche Vermutung für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses vor. Dies sind die folgenden Merkmale:
Der Entwurf verpflichtet die Mitgliedstaaten, die digitale Arbeitsplattform sowie die über diese Plattform arbeitende Person in die Lage zu versetzen, diese Vermutung zu widerlegen.
Die Vermutung wird in allen Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren zur Feststellung des Beschäftigungsstatus einer über die Plattform arbeitenden Person angewendet. Der Entwurf sieht jedoch keine Verpflichtung zur Einführung dieser Vermutung für Steuer-, Straf- oder Sozialversicherungsverfahren vor.
Im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot gilt die Vermutung nur für Vertragsverhältnisse, die nach Ablauf der Umsetzungsfrist geschlossen werden oder fortbestehen.
Der Entwurf enthält eine Reihe neuer Regeln für den Einsatz automatisierter Überwachungs- oder Entscheidungssysteme (im Folgenden „automatisierte Systeme“ genannt) zur Kontrolle von Personen, die über eine Plattform Arbeitsleistungen vornehmen (sei es innerhalb oder außerhalb eines arbeits- rechtlichen Beschäftigungsverhältnisses). Der Entwurf verbietet vor allem den Einsatz automatisierter Systeme für die Verarbeitung bestimmter besonders vertraulicher personenbezogener Daten und privater Gespräche. Die Plattform ist außerdem verpflichtet, die über die Plattform tätigen Personen transparent über die eingesetzten automatisierten Systeme zu informieren und die Überwachung und Überprüfung bestimmter Entscheidungen der automatisierten Systeme durch den Menschen sicherzustellen.
Zu den wichtigen, von geschulten Personen zu überprüfenden Entscheidungen des automatisierten Systems gehören beispielsweise Entscheidungen über die Vergütung von über eine Plattform arbeitenden Personen, über die Sperrung oder Auflösung ihres Kontos und andere Entscheidungen, die einen erheblichen Einfluss auf die Fähigkeit der eine Arbeit über die Plattform ausführenden Personen.
Der Entwurf stellt einen grundlegenden Schritt im Kampf gegen das „Schwarzsystem“ im Bereich der Verbundwirtschaft (Shared Economy) dar. Zwar stellt diese Kompromisslösung die über die Plattform tätigen Personen nicht automatisch den Arbeitnehmern gleich, bietet ihnen aber eine Reihe prozessual sowie inhaltlich rechtlicher Garantien angemessener Arbeitsbedingungen.
Doch nicht nur der positive Inhalt des Entwurfs hat interessante Implikationen, sondern auch das,
was aus politischen Gründen darin weggelassen wurde: Der Rücktritt der EU-Institutionen, den Umfang der steuerlichen und sozialen Auswirkungen der entworfenen Richtlinie zu harmonisieren, kann grundlegende Auswirkungen auf die Geschäftsstrategie von Plattformen in einzelnen Mitgliedsstaaten haben.
Autor: Veronika Odrobinová, Tatiana Podstolná