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Petr Němec | Richard Knobloch | | December 6, 2022
Der Gerichtshof der Europäischen Union beurteilte - als Vorfrage im Rahmen des vorliegenden Verfahrens - die Situation, wenn der Arbeitgeber die leistungsstärksten Mitarbeiter ausgezeichnet hat, indem er ihnen eine gekaufte Dienstleistung unentgeltlich zur Verfügung gestellt hat.
Konkret ging es um den Kauf von Gutscheinen (Anm. die aktuellen Umsatzsteuerregelungen für Ein- und Mehrzweckgutscheine galten im betreffenden Zeitraum noch nicht) zur Verwendung bei ausgewählten Händlern. Der Arbeitgeber, britische Gesellschaft GE Aircraft Services, hat beim Kauf dieser Gutscheine den Vorsteuerabzug geltend gemacht, indem sie diese kostenlos an die leistungsstärksten Mitarbeiter gewährt hat. Die strittige Frage war, ob diese kostenlose Bereitstellung von Gutscheinen nachzubesteuern ist, bzw. ob es sich um eine unentgeltliche Leistungserbringung „für persönlichen Verbrauch des Steuerzahlers bzw. seiner Mitarbeiter oder für andere Zwecke als diejenigen, die mit der Ausübung seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen“ im Sinne der Bestimmungen § 14 Abs. 4 Buchst. b) des inländischen Umsatzsteuergesetzes handelt.
Der Gerichtshof hat die Situation so beurteilt, dass es im vorliegenden Fall primär um die Steigerung der Motivation der Mitarbeiter und damit ihrer Leistungsfähigkeit geht, was zum ordnungsgemäßen Funktionieren und der Rentabilität des Unternehmens führt.
Nach Ansicht des Gerichts ist der persönliche Vorteil, den der Arbeitnehmer somit erhält, im Verhältnis zu den Bedürfnissen des Unternehmens zweitrangig. Eine solche kostenlose Bereitstellung von Gutscheinen erfolgt daher nicht zu anderen Zwecken als im Zusammenhang mit der Durchführung wirtschaftlicher Tätigkeiten und ist somit nicht (nachträglich) umsatzsteuerpflichtig. Da die Entscheidung des Gerichtshofs von der bisherigen Praxis abweicht, wenn der Arbeitgeber hingegen bei der Anschaffung einer Dienstleistung entweder keinen Vorsteuerabzug vornimmt oder derer kostenlose Bereitstellung für Mitarbeiter nachbesteuert, empfehlen wir in ähnlichen Angelegenheiten vorerst etwas Vorsicht walten zu lassen und möglicherweise auf entsprechende Auslegungen der Finanzverwaltung zu warten. Zögern Sie aber auch nicht, uns bei der Einrichtung von Mitarbeiter-Motivierungs-Programmen oder anderen Firmen-Benefits zu kontaktieren; gerne werden wir mit Ihnen passende Lösungen einstellen.
Im Zusammenhang mit Gutscheinen für Arbeitnehmer möchten wir auch auf die Perspektive der Einkommensteuer natürlicher Personen hinweisen, nämlich auf die Bestimmung § 6 Abs. 9 Buchst. d) des Einkommensteuergesetzes („EStG“), die die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung der Einkünfte des Arbeitnehmers von Leistungen regelt, die vom Arbeitgeber typischerweise über die sogenannte Cafeteria oder ähnliche Versorgungssysteme für Arbeitnehmer oder in Form sogenannter Flexipässe bereitgestellt werden. Einnahmen eines Arbeitnehmers, z.B. in Form einer Theatereintrittskarte, sind von der Lohnsteuer/Einkommensteuer aus unselbstständiger Tätigkeit und den damit verbundenen Sozial- und Krankenversicherungsbeiträgen befreit, wenn der gesetzlich festgelegte Zweck erfüllt wird und wenn es sich um eine Sachleistung handelt (d.h. der Benefit wird in Form eines Gutscheins erbracht oder der Arbeitgeber zahlt den Preis der konsumierten Leistung für den Arbeitnehmer direkt an den Leistungserbringer). Im Zusammenhang mit der Bedingung der Sachleistungsform möchten wir Sie auf das aktuelle Urteil des Obersten Verwaltungsgerichtshofs („NSS“) AZ. 7 Ads 31/2021–28 vom 15.11.2022 hinweisen, in dem das NSS-Gericht festlegte, dass dies zum Zwecke der Befreiung des betreffenden Arbeitnehmervorteils von der Lohnsteuer die nicht geldliche Form absolut entscheidend ist und dass diese mit alternativen Formen, wie Bargeld- oder bargeldlose Vergütung des Gutscheins, nicht verwechselt werden darf. Obwohl die gesetzlichen Regelungen nach der Ansicht des NSS-Gerichts den Begriff „Sachleistung“ nicht explizit definieren, erscheint dieser Begriff absolut eindeutig, wenn es sich nach der Natur der Sache um eine solche Leistung handelt, die nicht in Geld erbracht wird, bzw. kann nicht gegen Geld oder ähnliche Mittel getauscht werden darf. Wir haben die wichtigsten Punkte aus diesem Urteil für Sie in einem separaten Artikel zusammengefasst.
Im Hinblick auf die oben genannten Gerichtsentscheidungen empfehlen wir, die aktuelle Einstellung der Benefit- und Motivierungsprogramme für Ihre Mitarbeiter besonders zu beachten, um ein günstiges Steuersystem für Arbeitnehmer sowie Arbeitgeber aufrechtzuerhalten. Im Lichte des oben genannten Judikats des EU-Gerichtshofs kann nämlich beim Kauf von Gutscheinen oder anderen als Leistungserbringung klassifizierten Dienstleistungen für den Arbeitnehmer einerseits der Anspruch auf Vorsteuerabzug für den Arbeitgeber erhalten sein, während bei Vorliegen der Voraussetzungen des EStG. die Einkünfte des Arbeitnehmers aus einem solchen Gutschein von der Einkommensteuer und den Versicherungsprämien befreit sind. Benefit- und Motivierungssysteme für Mitarbeiter dürften somit bald noch beliebter als bisher sein.
Wenn Sie daran interessiert sind, Ihre Motivierungs- und Benefit-Mitarbeiterprogramme zu überarbeiten oder ein neues System einzuführen, werden wir Ihnen dabei gerne behilflich sein.
Autor: Petr Němec, Richard Knobloch, Vladimír Toráč